Auf dieser Seite befinden sich Reflektionen zu den Projektworkshops in verschiedenen Orten Namibias. Hier das Original.


„Wir sprechen von einem Ort des Schmerzes, von einem Ort der Unruhe und trotzdem sprechen wir auch mit Liebe, Stärke und Hoffnung auf ein besseres Morgen.“

Shomwatala Shivute und Nelago Shilongoh

Shomwatala Shivute und Nelago Shilongoh, !NamiŧNûs/Windhoek

Shomwatala Shivute und Nelago Shilongoh arbeiteten 2017 gemeinsam an der Kreation der „Ma Ndili“-Fotoserie. Sie stellten eine Reihe von Bildern zusammen, die die weiterhin bestehende Präsenz von Statuen aus der Kolonialzeit in Windhoek mit dem Verhältnis der Künstler*innen zu ihnen konfrontieren. „Ma Ndili“ bedeutet in Oshiwambo „wo bin ich?“. Heute – 2020 – betrachten Shivute und Shilongoh diese Serie erneut und betonen den patriarchalen Kontext, in dem sie arbeiten:

„Wir reden über unsere eigenen gelebten Erfahrungen als junge schwarze Frauen. In einem Land, dessen Polizeikräfte unbewaffnete friedliche Protestierende am 10. Oktober 2020 brutal angriffen. In einem Land mit Denkmälern, die Männer feiern, die unsere Vorfahren niedermetzelten und immer noch stolz auf Sockeln stehen und auf die Stadt hinabblicken.    

Wir sprechen von einem Ort des Schmerzes, von einem Ort der Unruhe und trotzdem sprechen wir auch mit Liebe, Stärke und Hoffnung auf ein besseres Morgen. „Ma Ndili“ ist eine Reflexion über unsere Position als junge schwarze Frauen, die in Windhoek, Namibia, aufgewachsen sind und auf die historische Stadtlandschaft mit ihren vielen Überbleibseln der Kolonialepoche schauen. In diesem Augenblick jedoch sprechen wir von unserer Position als Frauen, die an einem kollektiven Kampf ums Überleben in diesem Land teilhaben.“

Shomwatala Shivute, Bachelor-Abschluss in Kunstwissenschaft der Universität von Kapstadt im Jahr 2014 und BA-Examen mit Auszeichnung als Kuratorin 2018. Shivute arbeitete von 2015 bis 2020 als Kuratorin in der National Art Gallery von Namibia und ist jetzt Kuratorin und Leiterin des National Maritime Museum von Namibia.

Nelago Shilongoh hat einen Abschluss mit Auszeichnung in Dramaturgie und Visueller Kultur der Universität von Namibia und absolviert zurzeit ein Masterstudium in Visueller Kultur. Shilongoh ist Theatermacherin und Schauspielerin und erhielt den Preis für das Beste Bühnenstück des Jahres 2017 der Namibian Film and Theatre Awards. Seit Februar 2019 ist Shilongoh als Künstlerische Direktorin am Nationaltheater Namibias angestellt.


„Ich spiele ein Tonrepertoire, Lärm, Liebes- und Kampfliedern aus dem südlichen Afrika als eine Form des Widerstands gegen das Auslöschen/Ausschließen/Othering von Wissen, das in kolonialen und nationalistischen Archiven nur marginal und bruchstückhaft präsent ist.“ 

Nashilongweshipwe Mushaandja

Nashilongweshipwe Mushaandja, Katutura/Windhoek

Die Klanglandschaft „Ondaanisa yo Pomudhime“ (Tanz des Kautschukbaums) komponiert von Nashilongweshipwe Mushaandja enthält indigene namibische Musik, Geschichten und Aufnahmen von Poesie, die in den 1950ern von Ernest und Ruth Damman angefertigt wurden und sich gegenwärtig in Basler Afrika Bibliographien befinden. Diese Klangreste werden benutzt, um die Präsenz und die Übertretungen nachzuverfolgen, wie sie durch afrikanische Kulturschaffende als Kampf gegen die Auslöschung ihrer Kulturarbeit zum Ausdruck gebracht wurden.

Mushaandja sagt: „Ich spiele ein Tonrepertoire aus Stille, Lärm, Liebes- und Kampfliedern aus dem südlichen Afrika als eine Form des Widerstands gegen das Auslöschen/Ausschließen/Othering von Wissen, das in kolonialen und nationalistischen Archiven nur marginal und bruchstückhaft präsent ist.“ Diese Sammlung von Tonstücken aus verschiedenen Zeiten ist dafür gedacht, radikale afrikanische Vorstellungswelten darzustellen. Sound wird wegen seiner besonderen Eignung als eine Praxis der Grenzenlosigkeit angesehen.“ Das verweist auf den Titel des Werks, da der Kautschukbaum oder „Omudhime“ in der indigenen Kultur in Reinigungs- und Gedenkzeremonien verwendet wird.

Nashilongweshipwe Mushaandjaist Performer, Pädagoge und Schriftsteller mit praktischer Erfahrung und Forschungsinteresse an der Rolle von Körper und Raum als Archive bei der Formierung von Bewegungen. Mushaandja ist gleichfalls ein promovierter Künstler am Zentrum für Theater, Tanz und Studien in Darstellungskünsten an der Universität von Kapstadt und studiert Queere Praxis in Oudano Archives. Seine jüngste Performance „Tanz des Kautschukbaums“ ist eine kritische interdisziplinäre queere Intervention in Museen, Theatern und Archiven in Deutschland, der Schweiz, Südafrika, Kamerun und Namibia. Er ist ebenfalls zeitweise an kuratorischen Projekten beteiligt wie die John Muafangejo Season (2016/2017), Operation Odalate Naiteke (2018/2020) und Owela Festival (2019).

Zeitlose/überzeitliche Klanglandschaft

Ursprünglich 1953/54 in Omaruru, Okahandja, Makunda, Okombahe und Eenhana aufgenommenes Material.

Beitragende Kulturschaffende: Bernhard Kahiko, Elisabeth Kahiko, Kasuko Hiigo, Asnat Mutanga, Monika Komonungondo, Adelheid Mbuandju, Agustineum Choir, Anton Keib, Emilie Gabese, Isascha Kuiseb, Adam // Horeib, Adolf /Nowaseb, Lena Fender. Geschnitten und gemischt von Loudina Dreamer @ DoorTwo Media.


„Worin besteht unsere Rolle und Verantwortung bei der Änderung der Art und Weise, wie unsere Geschichte erzählt wird?“

Silke Berens und Nashilongweshipwe Mushaandja

Windhoek, Khomas

Das Anleiter*innentraining fand in Windhoek am College of the Arts Theatre in der Robert Mugabe Avenue statt. Zu den Anleiter*innen gehörten: Esmeralda Cloete, Fellipus Negodhi, Hildegard Titus, Kambezunda Ngavee, Keith Vries, Nashilongweshipwe Mushaandja, Nguundja Kandjii, Prince Kamaazengi Marenga, Silke Berens und Veronique Mensah.

Das Gesamtziel des Anleiter*innentrainings war es die Künstler*innen dabei zu unterstützen, authentische und individuelle Ansätze und Ideen für ihre Planung und Ermöglichung von künstlerischen Interventionen in der Community zu generieren. Indem die Künstler*innen in einige Modalitäten des Dramas und der Kunsttherapie durch unmittelbare Prozesse eingeführt wurden, ist eine persönliche und individuelle Beschäftigung mit den naheliegenden Themen gefördert worden. Durch eine kritische reflexive Beschäftigung mit Aspekten der kritischen Pädagogik stützten sich die Anleiter*innen auf Paulo Freires Methoden und Ideen des Nachdenkens über eine „Pädagogik der Unterdrückten“. Diese Einführung war auch sehr nützlich als ideologische Basis und für die Grundsätze der Workshopprozesse.

Die Workshop-Methoden beinhalteten das Geben von erfahrungsmäßigen und kreativen, auf Reflexion zielenden Impulsen, in Gestalt expressiver künstlerischer Medien wie kunsthandwerkliche Materialien, Schreiben, Performance und Geschichtenerzählen. Ein Beispiel für solche Methoden – das Arbeiten mit persönlichen und kollektiven Erzählungen über die namibische Geschichte – war die Wieder-Erzählung eines historischen Ereignisses und/oder die Vorstellung eines futuristischen Szenarios.

„Worin besteht unsere Rolle und Verantwortung bei der Änderung der Art und Weise wie unsere Geschichten erzählt werden? Diese Frage fand bei allen beteiligten Personen Widerhall und war ein zentrales Thema, das den Anleiter*innenworkshop und das ganze FWDWS-Projekt durchzog.“

(Silke Berens und Nashilongweshipwe Mushaandja)


„Das Malen wird zu einer Geschichte, die Zeit löst ihren festen Griff und manchmal treten Augenblicke der Heilung ein.“

Silke Berens

Silke Berens, Windhoek

Die namibische Künstlerin Silke Berens arbeitet mit Themen über Trauma, das sowohl in persönlichen als auch kollektiven Erinnerungen und Erfahrungen beschrieben wird. Dafür nutzt sie überwiegend Ölfarben auf Leinwand. In ihrer Arbeit behandelt sie die enge Beziehung zwischen Gewalt und Heilung. Sie erläutert: „Das Malen wird zu einer Geschichte, die Zeit löst ihren festen Griff und manchmal treten Augenblicke der Heilung ein.“ Berens arbeitet in einer Weise, die sowohl abstrakt als auch figurativ ist, indem sie Szenen kreiert, die an Träume erinnern oder – in der Tat – an Albträume. Die Künstlerin erklärt: „Bei dieser Reise berichte ich von Wunden, spreche Abwesenheiten an und ersinne Träume. Neben dem kreativen Prozess interessiert Berens sich auch für „somatische Ansätze von Genesung und Heilung“.

Die namibische Malerin Silke Berens gibt seit 20 Jahren Kurse und Workshops in expressiver und bildender Kunst, nebst regelmäßig veranstalteten Einzel- und Gruppenausstellungen. Ihre gegenwärtigen Forschungs- und Arbeitsinteressen umfassen kritische Pädagogik, kollektives/historisches Trauma und Kunsttherapie. Ihre malerische Praxis begleitet seit jeher ihre Passion für somatische Ansätze von Genesung und Heilung. Die Künstlerin beschäftigt sich zurzeit mit Arbeiten, womit sie Coloniality von einem persönlichen und aus der Perspektive der Vorfahren gesehenen Standpunkt erforscht.


„Kunst verrottet nicht …“

Prince Kamaazengi Marenga

Prince Kamaazengi Marenga, Gobabis

„Ovizire vyo mambo“ („Schatten unserer Sprache“) von Prince Kamaazengi Marenga besteht aus einem seiner illustrierten Gedichte auf Papier mit Miniaturskizzen. Diese Zeichnungen begleiten den Text, um ihm „Gewicht“ zu verleihen. Marenga erzählt, dass seine frühesten künstlerischen Erfahrungen aus Arbeiten auf Papier in der Art von Porträtzeichnungen bestanden. „Dann begann ich kleine Bildunterschriften, einige Wörter, den Zeichnungen hinzuzufügen und der Dichter, der ich bin, wurde durch mich selbst entdeckt.“ (Prince Kamaazengi Marenga). Es ist daher nicht verwunderlich, dass er seine Dichtung als „Wortzeichnungen“ betrachtet. „Was ich sehe, sage ich und was ich sage, singe ich.“ (Prince Kamaazengi Marenga). Im Zeichnen mit einem kontemplativ-psychologischen Ansatz sieht Marenga die unterbewussten Heilungsmöglichkeiten seiner Dichtung.

Prince Kamaazengi Marenga ist ein namibischer Dichter und autodidaktischer multidisziplinärer Künstler. Er wurde im Jahr der Dürre geboren. Seine Dichtung wird beschrieben als „ein Weg seine Menschlichkeit wiederzuentdecken, indem man die Wieder-Verbindung mit seinen eigenen Ahnen sucht, Ahnen, die für die Liebe zur Vielfalt des Seins eintreten“. Anfang 2020 veröffentliche Marenga im Selbstverlag seine erste Sammlung von Gedichten unter dem Titel „P-O-E-M-S“ (aufgelöst in Deutsch etwa: Stücke der Erleuchtung die Gesellschaft formend). Er veröffentlichte jüngst auch „Die Rose, die aus dem Beton wuchs: Notizen aus Kalakuta“. Er arbeitete kurzzeitig am Pan Afrikan Centre of Namibia als Medienberater und für The Southern Times (eine namibisch-simbabwische Zeitung) als freier Journalist. Er arbeitete außerdem an einem Dokumentarfilm – „Von Waterberg zu Waterberg“, gefördert von der Namibia Film Commission, der die Spuren von Samuel Maherero und der Flucht der Herero 1904 verfolgt, als sie vor den Ausrottungsbefehlen des deutschen Generals der Kolonialtruppen Lothar von Trotha flohen.


„Die meisten Teilnehmer erfahren von den Gräueltaten von 1904-1908 zum ersten Mal, der Workshop löste aber so etwas wie eine Renaissance oder Wiedergeburt des Geistes aus. Sie „sprachen“ durch Farbe auf Stoff, Tinte auf Papier und durch ihre Stimmen als Instrumente der Veränderung“     

Prince Kamaazengi Marenga

Gobabis, Omaheke

Der Workshop der Region Omaheke fand am Omaheke Regional Library Resource Centre in Gobabis statt. Dieser Workshop wurde von Prince Kamaazengi Mahenga und Nguundja Kandjii angeleitet. Die Teilnehmer*innen des Workshops waren Jugendliche außerhalb des Schulalters, die Kurse zur Einführung in die Kunst bei einem*r lokalen Lehrer*in belegten (Joans Araeb, Ricardo Baardman, Immanuel Tjipanga, Dean Rous, Zelda Modise, Wolradt Rivaldo Sithole, Tjarirove Tjikuzu, Pujehasora Ndjavera, Deon Kous).

Die Struktur des Workshops ermutigte die Teilnehmenden, ihr Lernen und ihre Teilhabe durch den Gebrauch von Bewegung als Kommunikationsmittel darzustellen. Ein Teil des Workshops konzentrierte sich auf den Austausch von Geschichten rund um einen imaginierten Kamin, um die Atmosphäre für das Geschichtenerzählen zu schaffen, während man zugleich schwierige Themen wie den kolonialen Blick vertiefte. Der Anleiter Marenga bemerkt: „Der […] Workshop bot einen Raum zum Einhalten und kritischen Nachdenken über soziale Konstrukte und Bildung in Namibia 30 Jahre nach Erringen der Unabhängigkeit. Was dabei von Anfang an sichtbar wurde, waren die Auswirkungen und die Bedeutung der Politisierung der Bildung und des sozialen Raums auf die kollektive Psyche der Menschen.“ Die Teilnehmenden schrieben und sprachen Gedichte, inszenierten kurze Stücke und lasen laut aus Büchern wie „Mama Penee: Transcending the Genocide“ („Über den Genozid hinaus“) von Uazuvara Ewald Kapombo Katjivena.

Über den Workshop nachdenkend erläutert Prince Kamaazengi Marenga: „Selektives Erinnern. Was soll erinnert werden und was nicht? Der Schaden, den der Kolonialismus anrichtete, ist bewahrt und bestärkt worden durch die Strukturen der namibischen Demokratie … Die meisten Teilnehmenden erfahren von den Gräueltaten von 1904-1908 zum ersten Mal, der Workshop löste aber so etwas wie eine Renaissance oder Wiedergeburt des Geistes aus. Sie „sprachen“ durch Farbe auf Stoff, Tinte auf Papier und durch ihre Stimmen als Instrumente der Veränderung“. Kunst reflektiert unsere Geschichte und dokumentiert den entscheidenden Bestandteil unseres Lebens. Wir brauchen mehr von diesem Engagement.“


„Durch diese verschiedenen Installationen von ‚Ovizire-Somgu/From Where Do We Speak?‘ hat das Zusammenarbeiten dabei geholfen, für unterdrückte Geschichten zu sensibilisieren während gleichzeitig alternative Wissenssysteme und Erinnerungsprozesse gefördert wurden“.

Nicola Brandt

Nicola Brandt, Hamburg/Berlin

Für fast ein Jahrhundert symbolisierte das Reiterdenkmal – ein bronzenes Reiterstandbild gelegen auf einem hohen Hügel nahe der Alten Feste in Windhoek – eine verheerende Form des Auslöschens von Geschichte. An derselben Stelle existierte während des Völkermords von 1904-1908 ein Kriegsgefangenenlager, in dem Herero und Nama unter extrem brutalen Bedingungen gefangen gehalten wurden. Im Unterschied zu diesem patriarchalen Symbol weißer Vorherrschaft gab es keine materiellen Spuren oder Anerkennung der unzähligen Opfer kolonialer Brutalität. Bis es entfernt wurde, empfanden viele die prominente Lage des Denkmals als ethische und visuelle Beleidigung, die ein dunkles Kapitel der Geschichte des Landes verkörperte.

Durch ihre Arbeit setzt die namibische Künstlerin deutscher Herkunft die Befragung ihrer eigenen Positionierung und der Erinnerungspolitik ihrer Herkunft fort, insbesondere wenn es darum geht, mit dieser schmerzhaften Erinnerung abzurechnen. Sie ist daran interessiert, inwiefern Gespräche und Interventionen zu diesen Fragen und Schauplätzen bei der Mobilisierung für Kämpfe um Anerkennung und geschichtliche Aufarbeitung helfen und letztlich zu einer inklusiveren und gerechteren Erinnerungslandschaft führen würden.

Nicola Brandt ist eine namibische Künstlerin, die einen multidisziplinären Ansatz benutzt, um die Erinnerungskultur des deutschen Kolonialismus und deren Positionierung im öffentlichen Raum zu kritisieren. Ihre Arbeiten wurden lokal und international in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Ihr Buch „Landscape Between Then and Now. Recent History in Southern African Photograhy, Video and Performance Art“ wurde 2020 bei Bloomsbury Press and Routledge veröffentlicht. Brandt ist promoviert in Bildender Kunst an der Universität von Oxford.      


„Als Künstler versuche ich mich auf die Ereignisse der Vergangenheit zu beziehen und diese Geschichte aufzudecken, die über so viele Jahre absichtlich verheimlicht wurde“.

Kambezunda Ngavee

Kambezunda Ngavee, Windhoek

„Pathway to Death“ („Weg in den Tod“) von Kambezunda Ngavee ist eine Mixed-Media-Skulptur, die an den Völkermord von 1904-1908 an den Ovaherero- und den Nama-Gemeinschaften durch die deutsche Kolonialregierung erinnert. Insbesondere bezieht sich diese Installation auf den berüchtigten Vernichtungsbefehl des deutschen Kolonialgenerals Lothar von Trotha. Folge dieses Befehls war die Tötung unbewaffneter Ovaherero, wodurch viele der Überlebenden gezwungen waren durch die Wüste Kalahari zu fliehen. Viele starben vor Hunger und Durst, wodurch der berüchtigte Pfad der Knochen quer durch die raue Wüstenlandschaft entstand.

Die Ovaherero und Nama, die gefangengenommen wurden, sperrte man in Konzentrationslager, wo viele an Misshandlungen und Krankheiten starben. Diese waren Arbeitslager, in denen Ovaherero und Nama zur Zwangsarbeit beim Bau von Eisenbahnlinien und Fabriken eingesetzt wurden. „Weg in den Tod“ erinnert daran, wie die Menschen sich in diesen Lagern zu Tode schuften mussten und sie unter der Gewalt des Kolonialregimes litten.

„Ich versuche die grausame Mentalität der deutschen Kolonialtruppen zum Ausdruck zu bringen, die unbewaffnete, unschuldige Menschen verfolgten und sie in die Wüste trieben. Sie mussten einen langen Weg in die Kalahari gehen um zu überleben, mit diesem Raubtier im Rücken. Als Künstler versuche ich mich auf die Ereignisse der Vergangenheit zu beziehen und die Geschichte aufzudecken, die über so viele Jahre absichtlich verheimlicht wurde“.

Kambezunda Ngavee ist ein namibischer Bildhauer, der überwiegend mit Marmor und Seifenstein arbeitet, um seine Installationen zu kreieren. Ngavee hat ein Diplom in Visueller Kunst vom College of Arts, Namibia. Der Künstler veranstaltete 2018 seine erste Einzelausstellung „Set in Stone“ und beteiligte sich auf lokaler Ebene an vielen Gruppenausstellungen. Ngavee arbeitet gegenwärtig bei WHUDA Marble Art Namibia.   


„Wir sollten akzeptieren, was in der Vergangenheit geschah; wir können das Geschehene nicht ändern und müssen uns damit abfinden und mögliche Wege finden, um in unserer Community den Frieden wiederherzustellen“.

Kambezunda Ngavee

Okakarara, Otjozondjupa

Der in der Otjozondjupa-Region angebotene Kunst- und Geschichtsworkshop fand im Okakarara Trade Fair Center statt. Dieser Workshop wurde angeleitet von Kambezunda Ngavee, Fellipus Negodhi und Golden Nambazu Katjatako. Die am Workshop Teilnehmenden bestanden aus einer Mischung von zur Schule gehenden Jugendlichen, Berufsschüler*innen und einigen lokalen Verkäufer*innen (Uhonga Kaure, Shina Tjikuzu, Ratjindua Tjehiua, Nanguei Kasuto, Michelle Mbaha, Mbitjita Katupose, Mbinaune Mungendje, Mangundu Mangundu, Kavijenene Verokoha, Jepender Kazapua, Grace Mbueza, Elly Kaurari, Collin Ngujapeua, Viomini Kapukare, Tuajoroka Kazapua, Tjeripo Kamuzeua, Sotorora Tjizepa, Penouua Kahivua, Ngaundje Maverijono, Michael Kapukare, Melody Katjuuande).

Während des Workshops kam es zu einem freien Austausch über Kolonialgeschichte und Apartheid in Namibia. Der Workshop beinhaltete vielerlei Aktivitäten, unter anderem Lesungen, Gedichtvorträge und künstlerisches Gestalten. Die Teilnehmenden sahen den Dokumentarfilm „Colonialism: A Case Stuy“ („Kolonialismus: eine Fallstudie“) von der Namibia Media Initiative und teilten miteinander ihre künstlerischen Interpretationen und Gedanken über die komplexe Geschichte und Fragen der Wiedergutmachung.

Der Anleiter Kambezunda Ngavee merkte an, dass das „eine inspirierende Erfahrung mit der Jugend von Okakarara war, so sehr, dass die Teenager in der Gruppe einen sehr positiven Aspekt für die Zukunft verheißen ließen“. Ngavee erklärte, dass obwohl dieser Workshop sich auf die Erkundung der Vergangenheit konzentrierte, inklusive dem bis heute präsenten Thema der Gewalt, die Diskussion sich rasch auf die Zukunft und die Notwendigkeit für Veränderung innerhalb der namibischen Gesellschaft konzentrierte. Kambezunda sagte, wenn wir vorankommen wollen, „sollten wir akzeptieren was in der Vergangenheit geschah; wir können das Geschehene nicht ändern und müssen uns damit abfinden und mögliche Wege finden, um in unserer Community den Frieden wiederherzustellen“. Durch Workshops wie diesen wird die Diskussion gestärkt und Geschichte freigelegt.


„… koloniale Fotografien entfalten Wirksamkeit. Die abgebildeten Menschen zeigen Einwirkungen durch ihre Gesten, ihre Blicke, ihre Gesichtsausdrücke und Körpersprache. Das Foto wirkt als solches durch die Tatsache, dass es uns auffällt, so dass wir anhalten und es betrachten“.

Ulrike Peters

Vitjitua Ndjiharine, Windhoek

Diese Serie von Abbildungen aus dem Archiv wurde von Vitjitua Ndjiharine erstellt und ist begleitet von Texten von Ulrike Peters.

Vitjitua Ndjiharine ist eine multidisziplinäre visuelle Künstlerin, die mit verschiedenen Medien arbeitet, um Strategien zur Dekonstruktion und Wiederherstellung des Zusammenhangs der pädagogischen Funktion von Texten und Abbildungen zu entwickeln, die in kolonialen Archiven gefunden wurden. Ihr interdisziplinärer Ansatz benutzt Zeichnungen, Malerei, Collage und örtliche Installationen als Instrumente zur kritischen Beschäftigung mit problematischen historischen Inhalten. Vitjitua war Empfängerin eines Forschungsstipendiums der Gerda Henkel Stiftung, das ihr erlaubt mit dem Forschungszentrum „Hamburgs (post)koloniales Erbe“, MARKK und M. Bassy in Hamburg zusammenzuarbeiten. 2017 erhielt sie ihren Bachelor-Abschluss in Studiokunst vom The City College of New York. Indem sie Kurse in Journalistik, Massenkommunikation und Kulturanthropologie belegte, gewann sie Einblick in diese Felder und verband Vorstellungen von Massenmedien und visueller Kunst in ihrem Bestand von künstlerischen Arbeiten. 2015 gewann ihr Gemälde „Metropolis“ den dritten Preis beim Wettbewerb „Labor Arts: Making Work Visible“ in New York City.


„Die vielen Gesichter zusammengenommen sprechen für die Macht der vielfältigen Stimmen, die sich vereinen, ähnlich wie bei dem Prozess wie wir als Künstler*innen versuchen, diese Geschichte ans Licht zu bringen und darüber zu sprechen, begleitet von den Stimmen unserer Ahnen – bei dieser Arbeit sehe ich uns zusammenkommen, um eine kollektive Stimme zu schaffen.“

Isabel Katjavivi

Isabel Katjavivi, Windhoek

Isabel Katjavivi verbindet Körper, Strukturen und Land in ihrem Werk und erklärt, dass sie alle Behältnisse von Trauma darstellen. Sie reflektiert über die Weise, wie das Land Gewalt erleben musste und Opfer war, als die Körper zu Boden sanken und die Menschen kategorisiert wurden, womit sie einen Fundus an Erinnerung schafft. Ihre Kunstwerke reagieren insbesondere auf Traumata aus vorkolonialen Zeiten, deutscher Kolonialherrschaft, der südafrikanischen Besatzung und Apartheid, dem namibischen Befreiungskampf und heutigen Traumata aus der Zeit nach der Befreiung Namibias.

„We speak from the grave“ („Wir sprechen von den Gräbern aus“) benutzt eine Vielzahl von Gesichtern, die diejenigen repräsentieren, die getötet wurden und diejenigen, die von ihren Gräbern aus nach Gerechtigkeit rufen. Wiedergutmachung des Unrechts der Vergangenheit ist ein integraler Bestandteil von Katjavivis Werk. Die namibische Landschaft ist übersät mit Massengräbern als beständige Mahnzeichen der vielen Gewaltepisoden unserer Geschichte. Mit dieser Arbeit erweist Katjavivi den Massenbegräbnisstätten ihre Ehrerbietung.  „Die vielen Gesichter zusammengenommen sprechen für die Macht der vielfältigen Stimmen, die sich vereinen, ähnlich wie bei dem Prozess wie wir als Künstler versuchen, diese Geschichte ans Licht zu bringen und darüber zu sprechen, begleitet von den Stimmen unserer Ahnen bei dieser Arbeit. Ich sehe uns zusammenkommen, um eine kollektive Stimme zu schaffen“. Katjavivi hat jeden Bestandteil dieser Installation in derselben Weise zusammengebunden und verhüllt, wie wir alle miteinander verbunden und an unsere geteilte Geschichte und Traumata gebunden sind.     

Isabel Tueumuna Katjavivi absolviert derzeit ein Masters-Studium in Visueller Kunst (Universität von Namibia) mit dem Schwerpunkt auf ortsspezifische vergängliche Installationen um dem Ovaherero-Genozid zu gedenken. Sie war 2017 die Gesamtgewinnerin des Ersten Preises des dreijährlich stattfindenden Wettbewerbs der Bank Windhoek. Katjavivi hatte drei Einzelausstellungen und nahm an zahlreichen Gruppenausstellungen teil. Ihre Arbeiten befinden sich in Sammlungen des Museums Würth, Künzelsau, der Luciano Benetton Collection und in der Bestandssammlung der National Art Gallery von Namibia.


„Der Workshop … ist bei weitem der eindrucksvollste Event, an dem ich dieses Jahr teilgenommen habe.“

Anne-Marie Issa Brown Garises

Keetmanshoop, //Kharas

Der in der Region //Kharas angebotene Workshop fand im Municipal Museum von Keetmanshoop statt.  Der Workshop wurde angeleitet von Keith Vries, Veronique Mensah und Issa Garises. Die Teilnehmenden waren sowohl Schüler*innen der 10.-12. Klassen als auch nicht zur Schule gehende Jugendliche aus der Region (Andre Isaacks, Asmara Kaffer, Raymond Kaffer, Caroline Paulsen, Conzetta Swartboot, Hanna Kaffer, Josef, Lovemore Kuhanga, Matti Gabriel, Zak Dirkse, Timothy Isaacks, Waiza Tseitseimau, Issa Garises, Ivan Mueze, Zion Ngarambaka, Paulriette Bladsteen, Adriana van Neel).

Der Workshop erstreckte sich über drei Tage mit einem übergreifenden Fokus darauf, in vertrauensvoller Zusammenarbeit Fragen der Identität zu teilen und zu diskutieren sowie auf die Erkundung von Kolonialgeschichte durch Traditionen wie überlieferte Volkserzählungen. Die Teilnehmenden wurden eingeführt in die Konzeption von Kunst durch Aktivismus in Gestalt von Dichtung, Musik und gesprochenem Wort als Formen des Ausdrucks. Spielraum zur Reflektion wurde durchweg während des Workshops geschaffen, um eine tiefergehende Verbindung und Verstehen der Inhalte und der Beziehung der Teilnehmenden zu diesen zu gestatten.

Die Kuratorin des Keetmanshoop Museums, Anne-Marie Issa Brown Garises, denkt, „der Workshop … ist bei weitem der eindrucksvollste Event, an dem ich dieses Jahr teilgenommen habe. Die Teilnehmenden beeindruckten mich mit ihren differenzierten Sichtweisen über die Grausamkeiten, die den Nama- (San, Damara) und Herero-Gemeinschaften angetan wurden. … Ich war ebenfalls beeindruckt von den Anleitenden des Workshops und wie sie … zum Nachdenken darüber angeregt haben, wie das Museum ein Ort des Nachdenkens und des Zelebrierens unserer kollektiven Geschichte und unserer Kulturen werden kann, welche durch koloniale Einwirkung unterbrochen wurden.“