Hamburgs (post-)koloniales Erbe

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Allgemein, Creative Commons, Tor zur kolonialen Welt, Video

Video: Heidemarie Wieczorek-Zeul: „Anerkennung und Entschuldigung. Die (außen-)politische Dimension postkolonialer Erinnerung“

Vortrag von Heidemarie Wieczorek-Zeul am 27.4.2016 im Rahmen der Ringvorlesung „Hamburg: Deutschlands Tor zur kolonialen Welt. Über den Umgang mit einem schwierigen Erbe“ mit einer Einführung von Prof. Dr. Jürgen Zimmerer. Anerkennung und Entschuldigung. Die (außen-)politische Dimension postkolonialer Erinnerung von… Weiterlesen →

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Deutschland-Namibia: Wahrheit – Erinnerung – Versöhnung. Überlegungen zum Gedenken an den Völkermord von 1904-1908

Seit im Juli 2015 mit dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert der bislang ranghöchste Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland sich klar für die Benennung des Krieges des Deutschen Reiches gegen die Herero und Nama (1904-1908, Südwestafrika, heute Namibia) ausgesprochen hat, und auch das… Weiterlesen →

Gespräch zwischen Prof. Dr. Jürgen Zimmerer und Prof. Dr. Rainer Nicolaysen: „Hamburgs (post-)koloniales Erbe und seine historische Aufarbeitung“

Hamburg ist wie keine zweite deutsche Stadt mit der Geschichte des Kolonialismus verbunden. Deutschlands „Tor zur Welt“ war ein Tor zu kolonialen Welt. Bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts handelte man mit Kolonien, ehemaligen Kolonien oder Kolonialmächten, kaufte… Weiterlesen →

Allgemein, Creative Commons, Rezension

Streamlined Streamlines

Die Romantisierung des Hafenlebens spielt eine zentrale Rolle in der Ausstellung Streamlines, welche in den Deichtorhallen zur Zeit besucht werden kann. Eine Untersuchung der Ursachen und komplexen Zusammenhängen hinter der Migration findet nicht statt. von Tania Mancheno Für die Ausstellung… Weiterlesen →

Presseschau Rückgabeforderung Koh-i-Noor gegenüber der britischen Queen seitens Indiens

Mitte November wurde auch in deutschsprachigen Medien die Nachricht verbreitet, dass eine Gruppe indischer Geschäftsleute und Filmstars die Rückgabe des berühmten Koh-i-Noor Diamanten vom britischen Königshaus fordert und dies durch einen Prozess vor dem High Court erreichen will (vgl. Berichte von ARD, Die Welt, 20 Minuten). Anlässlich des Besuchs des indischen Premierministers Narendra Modi in Großbritannien vergangene Woche, wurde die Nachricht über die neue Rückgabeforderung international weit verbreitet und erneuerte die Diskussion über den Umgang mit dem materiellen Erbe des Kolonialismus im Allgemeinen und des British Empire im Speziellen. Die Debatte scheint uns auch für die deutsche Diskussion über (post-)koloniale Erinnerung und koloniale Raubobjekte wichtig und interessant. Wir haben deshalb eine kurze subjektive Presseschau angefertigt, als Einstieg in das Thema. Ergänzungen und Empfehlungen in den Kommentaren sind herzlich willkommen! Einführung: Die Entwicklung bis 2015 Während der letzten Jahrzehnte wurde wiederholt die Rückgabe des Koh-i-Noor von verschiedenen Staaten und Einzelpersonen des indischen Subkontinents gefordert. Pakistanische Regierungsvertreter forderten bereits seit den 1970er Jahren die Rückgabe des Koh-i-Noor: „The demand for the Kohinoor's restoration - to Pakistan, not India because it was on Pakistani soil that the gem was surrendered - came in a letter from the then Prime Minister Bhutto to his British counterpart, James Callaghan on the even of Pakistan's independence day ceremonies in August 1976. [fusion_builder_container hundred_percent="yes" overflow="visible"][fusion_builder_row][fusion_builder_column type="1_1" background_position="left top" background_color="" border_size="" border_color="" border_style="solid" spacing="yes" background_image="" background_repeat="no-repeat" padding="" margin_top="0px" margin_bottom="0px" class="" id="" animation_type="" animation_speed="0.3" animation_direction="left" hide_on_mobile="no" center_content="no" min_height="none"][…] Evoking the ‘immense sentimental value’ of the diamond to Pakistan, Bhutto said ‘Its return to Pakistan would be a convincing demonstration of the spirit that moved Britain voluntarily to shed its imperial encumbrances and lead the process of decolonisation.’“ Indische Parlamentsmitglieder hatten im Jahr 2000 die Rückgabe des berühmten Diamanten gefordert: „The MPs claim that the Kohinoor was taken away illegally, which is why they want it back.“ Und auch die Taliban hatten im selben Jahr Ansprüche auf die Rückführung des Diamanten nach Afghanistan angemeldet: „For the previous 100 years the diamond had been an heirloom of the Afghan monarchy. Before then it was in Persian royal hands and before that Indian. The Taleban say their claim is strengthened by the fact that the rulers of India at the time were of Afghan descent.“ Die Rückgabeforderungen wurden von britischer Seite bisher mit der Begründung abgelehnt, dass sich nicht ermitteln lassen würde, welche der im Raume stehenden Forderung berechtigt sei: „In June 2000, as stated by the Rajya Sabha member Kuldip Nayar, the British High Commission in India had expressed its ambiguity over the ownership of the diamond. Most importantly, it said it wasn’t sure whether the Kohinoor rightfully belonged to India.“ Mit der Frage nach seiner Position zur Rückgabeforderung, sagte der britische Premierminister David Cameron zuletzt 2013: „’I don't think that's the right approach’‚ Cameron told reporters on Wednesday after becoming the first serving British prime minister to voice regret about one of the bloodiest episodes in colonial India, a massacre of unarmed civilians in the city of Amritsar in 1919. ‘It is the same question with the Elgin Marbles’‚ he said, referring to the classical Greek marble sculptures that Athens has long demanded be given back. ‘The right answer is for the British Museum and other cultural institutions to do exactly what they do, which is to link up with other institutions around the world to make sure that the things which we have and look after so well are properly shared with people around the world. I certainly don't believe in 'returnism', as it were. I don't think that's sensible.’“ 7.11.2015 - Mail on Sunday: „Indians sue Queen for return of £100m jewel in the crown: Bollywood stars and businessmen launch legal battle over 105-carat diamond which they say was stolen from their country“ Die „Mail on Sunday“ gehörte zu den ersten Nachrichtenseiten, die die Meldung über den angestrebten Prozess der Gruppe „Mountain of Light“ aufgriff. Neu an dem Vorstoß der Gruppe ist der Versuch, die juristische Rückgabeforderung auf Basis der Raubgut Konvention des Holocaust aufzubauen: „Satish Jakhu, of Birmingham-based law firm Rubric Lois King, said they would make their claim under the common law doctrine of ‘trespass to goods’, arguing that the Government had stolen the diamond. He added they would also be taking the case to the International Court of Justice.“ In dem Bericht der „Mail on Sunday“ wird der sich selbst als „extrem rechts“ bezeichnende, kolonialapologetisch argumentierende Historiker Andrew Roberts zitiert: „’Those involved in this ludicrous case should recognise that the British Crown Jewels is precisely the right place for the Koh-i-Noor diamond to reside, in grateful recognition for over three centuries of British involvement in India, which led to the modernisation, development, protection, agrarian advance, linguistic unification and ultimately the democratisation of the sub-continent.’“ 9.11.2015 – Times of India: „Elizabeth II may face legal challenge over Koh-i-noor“ Die Nachricht über die neue Initiative der „Mountain of Light“ Gruppe wurde international rezipiert und fand besonders in britischen und indischen Medien (hier als Beispiel auf der Seite der größten englischsprachigen Zeitschrift Indiens) einen Widerhall. Häufig wird dabei die Wortmeldung des Unterstützers der Rückgabeforderung, David de Souza, gegenüber dem „Sunday Telegraph“ zitiert: „The Koh-i-Noor is one of the many artefacts taken from India under dubious circumstances. Colonisation did not only rob our people of wealth, it destroyed the country's psyche itself. It brutalised society, traces of which linger on today in the form of mass poverty, lack of education and a host of other factors.“ 9.11.2015 – Jagran English News: „Queen Elizabeth II may face legal challenge over Koh-i-Noor“ Die englische Seite der größten indischen Zeitung „Dainik Jagran“ zitiert den Abgeordneten der britischen Labourpartei Keith Vaz, der sich bereits im Juli diesen Jahres für die Rückgabe des Diamanten ausgesprochen hatte: „What a wonderful moment it would be, if when PM Modi finishes his visit, he returns to India with the promise of the diamond's return.“ Die Jagran Redaktion hebt hervor, dass die britische Regierung diese Rückgabeforderungen bereits wiederholt zurückgewiesen hat: „The British government has previously rejected all demands for the return of Koh-i-Noor and in 2013 British Prime Minister David Cameron while on a visit to India, defended Britain's right to keep it saying he did not believe in ‚returnism‘.“ 11.11.2015 – The Guardian: „The Koh-i-Noor diamond affair shows ‘returning’ relics is never simple“ Der britische Philosoph Julian Baggini wies in einem Artikel des Guardian darauf hin, dass das British Museum zahlreiche Objekte besitze, die durch Plünderung und Kunstraub in den Besitz des Museums gelangt seien. Er argumentiert, dass es gute Gründe gäbe, warum Rückgabeforderungen bisher kaum erfüllt würden. Denn würde sich erstmal ein Modus etablieren, dass alle Objekte, die ohne explizite Autorisierung von einem Fundort im Ausland in europäischen Museen gelangten, zurückgegeben werden müssten, würden die wichtigsten Museen der Welt einen großen Teil ihrer Sammlungen verlieren, was eine Bedrohung für die Konservierung und Zugänglichkeit des kulturellen Erbes der Weltgesellschaft bedeuten würde: „The world‘s great treasures are just that – the world‘s. Nation states are their mere custodians.“ Doch die Diskussion über Rückgaben zu verweigern, wäre ein falsches Signal: „There is something profoundly distasteful about western countries refusing to return any of their ill-gotten gains. The legacy of imperialism still leaves deep wounds around the world, and when countries like Britain take no steps to atone for their pillage, that only reinforces grievances.“ Baggini schließt seine Argumentation mit dem Appell: „We need to find some way of balancing the legitimate claims of plundered nations without sliding down the slippery slope that ends with everything returned to its place of origin. This can‚t be done by fighting battles over individual objects. We need some kind of commission to look at the whole issue in the round, and come up with fair principles to determine what should be kept where.“ 11.11.2015 – The Independent: „Think India should be grateful for colonialism? Here are five reasons why you're unbelievably ignorant“ Amit Singh beschäftigt sich in seinem Artikel in „The Independent“ mit der Aussage Andrew Roberts, Indien solle „dankbar“ für die britische Kolonialherrschaft sein und führt fünf Argumente für einen kritischen Umgang mit dem (post-)kolonialen Erbe des British Empires in Indien auf: 1. Die Teilung des indischen Subkontinents in Indien, Pakistan und Bangladesch belaste das Verhältnis der Bevölkerungen und Staaten untereinander bis heute. 2. Die britische Politik insbesondere Winston Churchills sei wesentlich verantwortlich für mehrere Millionen Tote der Hungersnot in Bengalen 1943. 3. Beim Massaker von Amritsar hätten britische Truppen ca. 1.000 Menschen getötet, die gegen die britische Kolonialherrschaft demonstrierten. 4. Unter anderem durch die Einmischung Großbritanniens in die „Operation Blue Star“ seien 2.000 Sikhs gestorben. 5. Die „blutige Herrschaft“ Großbritanniens zeige sich beispielhaft in der Belagerung von Delhi 1857 während des Sepoyaufstandes, in deren Verlauf neben Sepoys auch zahlreiche Zivilisten getötet wurden. 12.11.2015 – Der Tagesanzeiger: „Der High Court und das Auge der Göttin“ Peter Nonnenmacher schreibt im Blog des Tagesanzeigers, dass „Vorwürfe historischen Kunstraubs“ für britische Museen nichts Neues seien: „Vom Britischen Museum wollen die Griechen ihre Elgin Marbles wiederhaben, die Türken ihre Samsat-Stele und die Iraner den Kyros-Zylinder, eine kostbare Schrifttafel aus Babylon. König Salomon Iguru aus Uganda fordert einen Thron seiner Vorfahren vom Unimuseum Oxford zurück. Und im Victoria and Albert Museum hängt ein Kinderkopf aus dem Sidamara-Sarkophag, den Ankara ebenfalls will.“ In seinem Artikel weist Nonnenbacher ebenfalls darauf hin, dass Cameron sich bereits vor einigen Jahren ablehnend dazu geäußert hat. Cameron dazu: „Wenn wir erst einmal Ja sagen, ist als Nächstes gleich das ganze Britische Museum leer.“ (Cameron sagte dies in einem Interview mit dem indischen Fernsehsender NDTV 2010: http://www.telegraph.co.uk/news/politics/david-cameron/7915424/David-Cameron-refuses-to-return-Koh-i-Noor-diamond-to-India.html) 12.11.2015 – The Diplomat: „Colonial Diamonds Are Forever: India and the Koh-i-Noor Diamond“ Akhilesh Pillalamarri, der sich bereits in der Frage, ob Großbritannien Indien Reparationszahlungen für die Kolonialzeit schulde, eindeutig positioniert hatte, schreibt in „The Diplomat“, dass der angestrebte Prozess vermutlich nur geringe Erfolgschancen aufweise. Pillalamarri deutet das Motiv der Initiative daher auch verschieden von anderen Medienberichten: „It seems as though the legal case was not well thought through and is designed to garner publicity rather than to have a strong chance of succeeding.“ Sein Fazit lautet, dass der beste Weg den Koh-i-Noor nach Indien zurück zu bringen auf guten britisch-indischen Beziehungen basiere, welche die britische Regierung zu einer „goodwill“ Geste motivieren könnten: „Emotion alone cannot win a lawsuit in court. The case for the return of the diamond is not very strong and it is unlikely to succeed. The best way for India to acquire the Koh-i-Noor would be for its government to one day convince the British government to return the jewel as a goodwill gesture in order to promote an economic and security relationship that would far outweigh the logic of keeping the diamond.“ (Update 24.11.2015, 13 Uhr) 20.11.2015 - The Guardian: Violence, victors and victims: how to look at the art of the British empire In einem Artikel zur neuen Sonderausstellung "Artist and Empire – Facing Britain’s Imperial Past" in der Tate Gallery, beschäftigt sich der Historiker William Dalrymple mit dem (kulturellen) Erbe des British Empire und bezieht sich dabei auch auf die von Andrew Roberts getätigte Aussage, die glücklichen Inder sollten "dankbar" sein, dass sie von Großbritannien kolonisiert wurden. Dalrymple schreibt, es gäbe neben dieser verklärenden "imperialen Nostalgie" der Neokonservativen, die gegensätzliche Tendenz die Geschichte des British Empire zu ignorieren: "On the other hand, there is the opposite, liberal, tendency to recoil from all memory of empire and to simply ignore and forget it. The result of this is wilful obliviousness in Britain about the darker side of its imperial past." Diese Ignoranz führe aber zu gefährlichen Mißverständnissen in der Interpretation und Bedeutung des kolonialen Erbes, da der Aspekt der Gewalt vernachlässigt zu werden drohe: "While there are things the imperial British did that can be celebrated, these have to be weighed against a long succession of what today would be regarded as war crimes, stretching from Virginia to New Zealand. We must never be allowed to forget that whatever its achievements, the British empire, like every empire before or since, was both gained and maintained by military might, and built over the graves of those it conquered and colonised." Der Fokus auf das British Empire als Wegbereiter von Frieden und "britischen Werten" verzerre die historischen Realitäten: "The indigenous people of Tasmania, for example, were massacred by English hunting parties who were given licences to exterminate this 'inferior race' who the colonial authorities said should be 'hunted down like wild beasts and destroyed'; many were caught in traps, before being tortured or burned alive. The same fate befell the Caribs of the Caribbean, the Guanches of the Canary Islands, as well as tribe after tribe of Native Americans, from the Apache to the Iroquois, so that 90% of the Native American population was destroyed in a single century in a seamless process that began under British direction and was completed by the rogue colonists Britain had planted there. Meanwhile, under mostly British supervision, slave traders forcibly abducted 15 million Africans and killed as many more." Die empfehlenswerte Ausstellung sei daher als ein wichtiger Anfang zur Aufarbeitung des komplexen und ambivalenten Erbes des British Empire zu betrachten: "Artist and Empire is an important start in the uphill task of evaluating the complex and ambivalent legacy of the British empire. It is full of wonderful masterworks; but as important is its balance and sensitivity for how to handle this most explosive subject, as the British belatedly begin to face the scale of their global legacy, good and bad." Creative Commons Lizenzvertrag Dieser Text von Kim Sebastian Todzi ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz. --- Bildquelle: Creative Commons Lizenzvertrag Zeitungen-02 von Roland Unger ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.[/fusion_builder_column][/fusion_builder_row][/fusion_builder_container]

Mitte November wurde auch in deutschsprachigen Medien die Nachricht verbreitet, dass eine Gruppe indischer Geschäftsleute und Filmstars die Rückgabe des berühmten Koh-i-Noor Diamanten vom britischen Königshaus fordert und dies durch einen Prozess vor dem High Court erreichen will (vgl. Berichte… Weiterlesen →

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Global versöhnen – Lokal erinnern: Der Genozid an den Herero und Nama (1904-1908) und Hamburg

von Jürgen Zimmerer Bundestagspräsident Norbert Lammert war dieser Tage (6.10.-9.10.2015) auf heikler Mission in Namibia, nachdem er im Juli aus Anlass des 100. Jahrestages der deutschen Kapitulation in Südwestafrika ungewohnt offene Worte zu den „beschämenden Verbrechen“ während des deutschen Kolonialismus… Weiterlesen →

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Medienkritik: Jana und der Buschpilot

von Kim Todzi Würde sich das ZDF nicht damit rühmen einen „authentischen, ethnografischen Blick auf den afrikanischen Kontinent“ produziert zu haben, diese Film-Besprechung über die ZDF-Herzkino-Reihe wäre wohl kaum geschrieben worden. Denn zu offensichtlich sind die folkloristischen, rassistischen und exotisierenden… Weiterlesen →

Presseschau: Anerkennung des Genozids an den Herero und Nama

„Frage: Herr Schäfer, ich habe es noch nicht ganz verstanden. Die Haltung, die Meinung der Bundesregierung ist: Ja, das war Völkermord. Schäfer: Ich habe es Ihnen doch gerade so vorgelesen; in der Tat. Zusatzfrage: Die Bundesregierung sagt: Das war Völkermord. - Das wäre ja jetzt eine Meldung. Schäfer: Dann melden Sie es.“
Als Dr. Martin Schäfer, Sprecher des Auswärtigen Amtes, den Völkermord an den Herero und Nama auf der Pressekonferenz der Bundesregierung am 10. Juli als solchen bezeichnete, kündigte er damit einen radikalen Kurswechsel in der Linie des Auswärtigen Amtes an. Zur Mitschrift der Regierungspressekonferenz vom 10. Juli In den vorvergangenen Tagen hatte die Diskussion über die (Nicht-)Anerkennung des Völkermords des Deutschen Kaiserreiches an den Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie Deutsch Südwestafrika eine neue Dynamik angenommen. Während Bundespräsident Joachim Gauck noch am 6. Juli 2015 eine Delegation von Angehörigen der Opfer des Genozids nicht empfangen wollte, schrieb Bundestagspräsident Norbert Lammert nur zwei Tage später in einem Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit", dass nach "heutigen Maßstäben [fusion_builder_container hundred_percent="yes" overflow="visible"][fusion_builder_row][fusion_builder_column type="1_1" background_position="left top" background_color="" border_size="" border_color="" border_style="solid" spacing="yes" background_image="" background_repeat="no-repeat" padding="" margin_top="0px" margin_bottom="0px" class="" id="" animation_type="" animation_speed="0.3" animation_direction="left" hide_on_mobile="no" center_content="no" min_height="none"][...] die Niederschlagung des Herero-Aufstandes ein Völkermord" war. Eine Klausel, die wohl keine juristischen Folgen nach sich zieht und von Lammert als Privatperson verfasst wurde - der Tenor des Artikels lautete aber: es sollte von der Bundesregierung nicht mit zweierlei Maß gemessen werden; wenn der Völkermord an den Armeniern als solcher bezeichnet werde, solle dies für den Völkermord an den Herero und Nama ebenso gelten. Nur wenig deutete aber darauf hin, dass diese Anerkennung bereits am darauffolgenden Freitag offiziell werden würde, obwohl Gespräche zwischen den Außenministerien in Berlin und Windhoek bereits seit längerem liefen. Anlässlich dieser neuen Entwicklungen haben wir eine subjektive (und in jedem Fall unvollständige) Presseschau angefertigt. Ergänzungen und Empfehlungen sind in den Kommentaren herzlich willkommen! Anlässlich des 100. Jahrestages des Endes der deutschen Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika (Namibia) griffen zahlreiche Medien die Debatte um den Völkermord an den Herero und Nama auf. Der oben angegebene Artikel basiert auf einer dpa-Meldung, die weite Verbreitung fand. Johannes Super berichtet über die Überreichung der Petition des Bündnisses „Völkermord verjährt nicht!“ an den Bundespräsidenten. Dieser ließ die Petition durch einen Mitarbeiter in Empfang nehmen, zu einer Einladung zu einem Gespräch kam es nicht. Super zitiert Ida Hoffman, eine Vertreterin der Nama und Mitglied des namibischen Parlamentes: „‘Geht man so mit den Nachfahren von Opfern eines Genozids um?‘, fragte sie. Man habe erneut die ‚herablassende Haltung‘ der Bundesrepublik gespürt.“ Im Gespräch mit dem Deutschlandradio Kultur sagt der Herero-Vertreter Vekuii Rukoro er habe sich durch die Abfertigung Gaucks „unhöflich und respektlos“ behandelt gefühlt. Auf die Frage nach Entschädigungszahlungen sagte er „Ein Menschenleben kann man nicht mit Geld aufwiegen […] doch der Genozid muss klar benannt und eingestanden werden.“ In seinem Leitartikel zur deutschen Weigerung den Völkermord anzuerkennen schreibt Christian Bommarius, dass es „unmöglich“ sei, auf der einen Seite „die Türkei – sehr zu Recht – immer wieder zu ermahnen, ihren Völkermord an den Armeniern endlich einzugestehen, und andererseits zu versuchen, dem Eingeständnis des eigenen Völkermords unter Hinweis auf großzügige Entwicklungshilfe zu entkommen.“ Die Anerkennung sei aber nur ein erster Schritt zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte, die ob der Länge der „unendlich peinlichen Debatte“ über die Anerkennung „aus dem kollektiven Bewusstsein zu verschwinden“ drohe. Sie verstelle damit den Blick dafür, „dass mehr als über die Verbrechen des Kolonialismus der Kolonialismus als Verbrechen zu verhandeln ist.“ In ihrem Artikel auf Zeit Online weist Anke Schwarzer auf die Bedeutung Hamburgs für die Kriegsführung des Kaiserreichs in Deutsch-Südwestafrika hin: „Allein in den ersten 18 Monaten des Krieges, der im Januar 1904 begann, wurden rund 665 Offiziere verschifft, 196 Beamte, 14.000 Soldaten und 12.000 Pferde. Die einfachen Soldaten in den untersten Decks, die Offiziere darüber.“ Sie zitiert den Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung“ Jürgen Zimmerer zur fehlenden Erinnerung an diese Verbindung: „Nichts erinnert heute an die Truppenverschiffung, dabei könnte gerade am Beispiel Hamburgs gezeigt werden, dass Kolonialismus immer auch deutsche – oder in diesem Falle Hamburgische – Geschichte ist.“ In seinem Essay über die deutsche Erinnerungskultur bemerkt Jürgen Zimmerer, dass der kritische Umgang mit der eigenen Vergangenheit „zum Staatsverständnis Deutschlands nach 1945“ gehörte. Zimmerer erinnert an die Diskrepanz zwischen diesem Verständnis und der noch immer fehlenden Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte. Er schreibt es sei „beschämend, was sich das politische Deutschland in Bezug auf die Anerkennung rassistischer Verbrechen der Vergangenheit leistet. Es droht die Erfolgsgeschichte der deutschen Vergangenheitspolitik insgesamt in Frage zu stellen, wirft es doch die Frage auf, wie tiefgehend diese Bewältigung war, wenn das historisch völlig unstrittige Abschlachten bzw. Verrecken-Lassen von bis zu 80.000 Männern, Frauen und Kindern einfach ignoriert werden kann.“ Der Historiker Gunther Neumann fragt in seinem Kommentar, warum in Europa Massenmorde mit zweierlei Maß messe. „Hereros haben keine weltweite Diaspora, keine sprachgewaltige Lobby. Es gibt wenig Literatur, die an ihr Schicksal erinnert, wie es dem Schriftsteller Franz Werfel mit den Armeniern gelang. Bei der zurückhaltenden Anerkennung ist auch die Befürchtung einer Kaskade von Reparationsforderungen im Spiel, etwa von Native Americans oder einst unterdrückten Kolonialvölkern. Deutschland hat seit 1990 eine Milliarde Euro an Entwicklungsgeldern für Namibia bezahlt.“ Es gehe aber bei der Anerkennung überhaupt nicht um „finanzielle Wiedergutmachung – ein ohnehin unpassender Begriff“. Die Anerkennung des Völkermordes sei vielmehr wichtig, da die Benennung des „Ungeheuerlichen“ die Europäer „beziehungsfähiger“ mache und „auch zum Dialog mit Nachkommen der Toten und Traumatisierten“ befähige. „Der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka spricht von einem «Torbogen der Heilung». Er besteht aus Wahrheit, Verantwortung – und dann Versöhnung.“ Am Freitag wurde auf der Pressekonferenz der Bundesregierung der Völkermord erstmals von offizieller Seite als solcher bezeichnet. Die dpa Meldung zu diesem Ereignis wurde in über 60 Zeitungen und zahlreichen Radio- und Fernsehnachrichten verbreitet. In dem vielschichtigen und tiefgehenden, einstündigen Beitrag setzt sich Uwe Westphal mit dem Völkermord, der Anerkennung und der postkolonialen Erinnerungskultur in Deutschland auseinander. Dazu interviewt er unter anderem Israel Kaunatjike, Heidemarie Wieczorek-Zeul und Jürgen Zimmerer. Westphal fragt warum die Bundesregierung sich mit einer Entschuldigung schwertut, welche Folgen sich aus der Anerkennung ergeben könnten, wie der „Rassenkrieg“ motiviert wurde und welche Kontinuitäten rassistischer Denkmuster und Handlungsweisen sich auch nach dem Ende der Kolonialzeit in Deutschland wiederfinden. Die Meldung über die Anerkennung des Völkermordes greift Nicholas Michel auf und richtet den Blick auf die Delegation der Nachkommen der Hereros, die von Bundespräsident Gauck, mit dem Hinweis Deutschland spreche bereits mit dem namibischen Staat abgewiesen wurde. Er zitiert Vekuii Rukoro, der sich über das „koloniale Argument“ empörte, dass ein souveräner Staat nur mit einem souveränen Staat [und nicht etwa mit Opfergruppen, K.T.] verhandele. Die deutschsprachige namibische „Allgemeine Zeitung“ kommentiert die Anerkennung, dass darauf „niemand vorbereitet“ gewesen sei. Der Autor Stefan Fischer schreibt: „Es wäre schön, wenn die Bundesregierung eine Einschätzung von solcher Tragweite nicht von der Auffassung von Einzelpersonen abhängig macht und sich zudem auf fundierte und ausgewogene Geschichtsforschungen stützt.“ Dass die „fundierte[n] und ausgewogene[n] Geschichtsforschungen“ mit hoher Evidenz nachgewiesen haben, dass es sich um einen Völkermord handelte, ignoriert Fischer. In einem Debattenbeitrag kommentieren Reinhart Kößler und Henning Melber die Entwicklung bis zur Pressekonferenz vom 10. Juli. Sie bewerten die Anerkennung als Durchbruch und als „Erfolg zivilgesellschaftlicher Bemühungen sowohl auf namibischer wie auf deutscher Seite“. Die Einbeziehung von Angehörigen der Opfergruppen in den Dialog über die postkoloniale Erinnerung bezeichnen sie als offene Frage und verstehen dies als Herausforderung für zivilgesellschaftliche Akteure in Namibia und Deutschland. Die namibische Wochenzeitung Windhoek Observer zitiert den deutschen Botschafter in Namibia, Ullrich Kinne, dass die Bundesregierung den Völkermord nur in einem historischen und nicht in einem juristischen Sinne anerkenne. Der Windhoek Observer kommentiert, dass damit die Bundesregierung den Völkermord nicht nach den Maßstäben der internationalen Genozid-Konvention von 1948 als solchen bewerten würde. Der Herero-Vertreter Vekuii Rukoro wird zitiert, dass die Forderung der Herero nach offizieller Anerkennung weiter bestehe. Man habe der Bundesregierung ein Ultimatum bis zum 2. Oktober 2015 gestellt. Sollte sie bis dahin den Genozid noch immer nicht anerkannt haben, werde man die Bundesregierung vor dem Internationalen Strafgerichthof verklagen. Creative Commons Lizenzvertrag Dieser Text von Kim Sebastian Todzi ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz. --- Bildquelle: Creative Commons Lizenzvertrag Zeitungen-02 von Roland Unger ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.[/fusion_builder_column][/fusion_builder_row][/fusion_builder_container]

„Frage: Herr Schäfer, ich habe es noch nicht ganz verstanden. Die Haltung, die Meinung der Bundesregierung ist: Ja, das war Völkermord. Schäfer: Ich habe es Ihnen doch gerade so vorgelesen; in der Tat. Zusatzfrage: Die Bundesregierung sagt: Das war Völkermord…. Weiterlesen →