Seit 2021 liegt das Abkommen zwischen Deutschland und Namibia zur Anerkennung des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts, an den Herero und Nama, auf Eis. Zu stark war die Kritik der Opferverbände in Namibia. Die dortige Regierung konnte das Abkommen nicht einfach durchdrücken. Nun gibt es einen neuen Versuch, mit minimalen Verbesserungen von deutscher Seite. Die beiden Hauptprobleme bleiben jedoch bestehen. Die Intransparenz des Prozesses, und die Ablehnung durch wesentliche Teile der Herero und Nama.

Deutschland hat offenbar nachgebessert, wie aus einer Bekanntmachung der namibischen Vizepräsidentin  Dr. Netumbo Nandi-Ndaitwah vom 27.6.2024 hervorgeht. Sie hatte in ihrer Eröffnung gegenüber dem Chiefs Forum erklärt, dass Deutschland bereit sei, die 2021 ausgehandelte Summe von 1,1 Mrd. € zu erhöhen, allerdings ohnen einen konkreten Betrag zu nennen. Statt auf 30 Jahre sollte nun ein – nicht spezifizierter Teil – vorab gezahlt werden. Auch in der Diaspora lebende Herero und Nama sollten davon profitieren können, aber im Grunde nur, wenn sie nach Namibia zurückkehrten. Die Zahlung werde nun auch nicht mehr als „Hilfe“ oder „Zuschuss“ benannt, was in der Erklärung von 2021 für großen Ärger gesorgt hatte, sondern „Sühne“ bzw. als „Sühnefond“. Der Genozid werde nun von Deutschland anerkannt, ohne den als Einschränkung empfundenen Zusatz „nach heutigem Verständnis“ – 2021 hieß es noch, es handelte sich um Völkermord „nach heutigem Verständnis“.

Das Vorgehen, wie auch die Ergebnisse, werfen jedoch weiterhin Fragen auf:

Erstens, warum wird keine konkrete Summe benannt, um die nun erhöht wurde, und warum werden nicht alle Fakten auf dem Tisch gelegt, auch nicht von deutscher Seite?

Wieso wird die Diaspora nur eingebunden, wenn sie nach Namibia zurückkehrt? Das ist das Gegenteil von Einbindung.

Warum wurde dies wieder intransparent hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, statt die Zivilgesellschaft in beiden Ländern endlich umfassend zu beteiligen? Der Eindruck bestätigt sich, dass die Bundesregierung ein Problem wegverhandeln will, ohne an einer wirklichen Aufarbeitung und Versöhnung, zu der auch die breite Aufklärung und Debatte gehört, interessiert zu sein.

Dazu passt auch das Zurückstufen und Ignorieren des Genozids in Deutschland selbst: Vor nur vier Wochen wurden die Opfer des Genozids an den Herero und Nama in der offiziellen Erinnerungspolitik des Hauses Roth als Opfer zweiter Klasse eingeordnet, die man im offiziellen Gedenkstättenprogramm nicht berücksichtigen müsste, zurückgesetzt hinter die Opfer der DDR-Diktatur. In Hamburg läuft derzeit das Planungsverfahren für die Bebauung des zentrale deutschen Erinnerungsortes an den Genozid, dem Baakenhafen, mit Luxuswohnungen, ohne dass offenbar von der für die Aufarbeitung des kolonialen Erbes zuständigen Kulturbehörde im Vorfeld Einwände geäußert worden wären. Es braucht dort aber neben einem Gedenkort auch ein Dokumentationszentrum zum Genozid, und man wäre interessiert zu erfahren, was die Anerkennung des Genozids an den Herero und Nama für die Aufarbeitung in Deutschland bedeute. Es handelt sich eben nicht (nur) um eine Thema der Außenpolitik.

Bemerkenswert ist aber auch der politische Druck, unter den Namibia sich offenbar gesetzt fühlt, bzw. den die namibische Regierung aufbaut, um ihr Abkommen dieses Mal innenpolitisch durchzusetzen. Wenn die internationale Gemeinschaft schon unfähig sei, den israelischen „Genozid in Gaza“ zu stoppen, wie sollte man da auf internationalen Druck hoffen, um einen Genozid, der 120 Jahre zurückliegt zu sühnen, so sagte die Vizepräsidentin.

Dies zeigt, in welch verfahrene Lage die deutsche Verhandlungsstrategie seit 2015 den Aussöhnungsprozess gebracht hat. Es ist Machtpolitik, und nur das. Die Bundesregierung müsste aber nun auch erklären, warum die Bezeichnung des Gaza-Krieges als genozidal in Deutschland geächtet und kritisiert wird, man aber mit einer namibischen Regierung, die dies offen sage, und ja auch der Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof beigetreten ist, zu einem Hinterzimmerdeal bereit ist. Oder ist das einer der Gründe für den Weg, alles hinter verschlossenen Türen zu regeln? Es wäre besser und der Frage der Anerkennung und Versöhnung sehr viel zuträglicher, wenn all dies offen und transparent diskutiert würde. Aber um Versöhnung und Wiedergutmachung scheint es zuallerletzt zu gehen.