„Es ist der koloniale Kern des Humboldt-Forums, mit dem man sich auseinandersetzen muss – und das geschieht viel zu wenig“, sagte Prof. Dr. Jürgen Zimmerer im Interview mit NDR Kultur. Nach Bénédictine Savoys Fundamentalkritik am Humboldt-Forum, die er nachvollziehen kann, ruft Zimmerer ins Gedächtnis, dass nicht nur um die Auseinandersetzung mit den Erwerbungskontexten von Objekten Not tut. Ethnologische Sammlungen zeugen zudem von einer ganz besonderen Art, „historisch gesehen auf die Welt zu gucken, und die muss man mitreflektieren. Man kann nicht einfach die Tradition des eurozentrischen Blicks fortschreiben“, mahnt Zimmerer.
Gerade im Fall des Humboldt-Forums reicht daher seiner Meinung nach die begonnene Provenienzforschung nicht aus. Vielmehr bedürfte es einer Neukonzeption des gesamten Komplexes, befindet Zimmerer. Es sei problematisch, dass das Humboldt-Forum ein Weltthema aus nationaler, aus europäischer, aus eurozentrischer Perspektive betrachte: „Es muss raus aus dem Blick von Berlin auf die Welt und stattdessen mitthematisieren, wie dieser Blick historisch gewachsen ist, was er angerichtet hat, und dass wir in einer Zeit leben, in der die europäische Durchdringung der Welt zu Ende kommt und eine Richtungsumkehr vollzogen wird – politisch, aber auch intellektuell.“
Zimmerer fordert eine öffentliche Diskussion des Gesamtkonzepts, um das Mammutprojekt Humboldt-Forum auf den richtigen Weg zu bringen: “ Es muss ein Zentrum werden, in dem man über die Bedingungen kolonialen Sammelns reflektiert und mit der Weltgesellschaft in einen Dialog tritt, der offen ist, und in dem nicht das Humboldt-Forum wieder bestimmt, wer die Diskussionspartner sind.“
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