In Alkohol eingelegte Reptilien aus der Bucht Angra Pequena, gesammelt und präpariert im Frühsommer 1886. Teile des schriftlichen Nachlasses von Hendrik Witbooi, erbeutet in Gibeon im Herbst 1904. In der Folge des Völkermordes mühsam zusammengetragene und neu hergestellte Haushaltsgegenstände der Herero, die ab 1911 im Übersee-Museum Bremen eine idealisierte Lebenswelt der Herero zur Schau stellten, die aufgrund des Genozides in Namibia nicht mehr existierte. Umfangreiche Sammlungen von San-Gemeinschaften aus den 1930er-Jahren. Objekte der Himba und Tierpräparate von Zebras und Antilopen, die bis heute im Museum zu sehen sind, zusammengestellt in enger Zusammenarbeit mit der deutschstämmigen Siedlerschaft während einer einjährigen Forschungsreise im Jahr 1952. Dies sind nur einige Beispiele der etwa 1.500 namibischen Objekte, die zwischen den 1880er- und 1960er-Jahren im Übersee-Museum Bremen und seinen Vorgängerinstitutionen inventarisiert wurden.

Für das Museum hatte es dabei in der Regel keine Bedeutung, wer die individuellen Vorbesitzer*innen der zusammengetragenen Objekte waren. Sie galten als Stellvertreter einer imaginierten Kultur. Zahlreiche Kontakte zu weißen Siedler*innen boten immer wieder die Möglichkeit, Leerstellen der Sammlung zu füllen. Diese Leerstellen wurden zwar in Bremen gezielt identifiziert, aber von den „men on the spot“ nach eigenen Ansichten modifiziert und ausgefüllt. Der jeweilige historische Kontext bestimmte dabei gleichermaßen das Sammeln vor Ort und den Hunger nach Objekten seitens des Museums. Sie bedingten sich gegenseitig und erzählen eine gemeinsame Geschichte. Dabei verrät die Gesamtheit der Objekte mehr über das Selbstverständnis der Institution und die Sichtweisen der Europäer*innen als über die individuellen Objekte oder historische Realität von Afrikaner*innen.

Die umfassenden Sammlungen aus kolonialen Kontexten an deutschen Museen bilden ein zentrales Thema der aktuellen Debatten zum Umgang mit dem kolonialen Erbe in Deutschland. Anhand der Entstehung der Sammlung in Bremen verbindet das Buch auf exemplarische Weise die Provenienzforschung zu Sammlungen aus kolonialen Kontexten mit der Geschichte des Kolonialismus in Namibia. Im Mittelpunkt steht hierbei nicht das einzelne Objekt, sondern die Struktur hinter dem kolonialen Aneignungsprozess. So kann aufzeigt werden, wie das Kategorisieren und Umdeuten von Objekten sowie das Einüben und Verfestigen kolonial geprägter Bildwelten sowohl im Museum als auch in der Siedlerkolonie Südwestafrika immer wieder neu hergestellt und fortgeführt wurden.

„Von Siedlern und Sammlern – Die koloniale Aneignung der ethnografischen Namibia-Sammlung am Übersee-Museum Bremen“ ist 2024 als Band 4 der Reihe Hamburger Beiträge zur Geschichte der kolonialen Globalisierung im Wallstein Verlag erschienen. Die Dissertation war Teil des von Prof. Dr. Jürgen Zimmerer (Universität Hamburg, Arbeitsbereich Globalgeschichte) und Prof. Dr. Wiebke Ahrndt (Übersee-Museum Bremen) initiierten Kooperationsprojektes „Koloniale Spuren im Übersee-Museum Bremen – Afrika Sammlungen als Gegenstand der Provenienzforschung“. Das Buch basiert auf intensiven Recherchen zu den Namibiabeständen am Übersee-Museum Bremen und umfasste eine mehrmonatige Forschungsreise in Namibia.

Christian Jarling: Von Siedlern und Sammlern Die koloniale Aneignung der ethnografischen Namibia-Sammlung am Übersee-Museum Bremen, Göttingen, Wallstein, 2024.

Weitere Informationen auf der Seite des Verlags.