„Was hat der Kolonialismus mit dem Holocaust zu tun?“ – dieser Frage geht die Deutschlandfunk-Sendung „Aus Kultur- und Sozialwissenschaften“ im Gespräch unter anderem mit Prof. Dr. Jürgen Zimmerer nach. Er begründet, weshalb die Kontinuitäten zu untersuchen seien: „Beide Ideologien, Antisemitismus wie Rassismus, dienen dafür, eigentlich ein absolutes Gegenüber zu konstruieren, das man dann versklaven kann, das man dann vertreiben kann, das man dann ermorden kann. Die sind nicht identisch. Sie sind funktionsäquivalent. Ich schaue auf diese Funktion; und aus der Täterperspektive erfüllt es eigentlich beides die gleiche Funktion.“ Weiter zur politischen Bedeutung der Debatte: „Wenn man akzeptiert, dass es einen Genozid in Deutsch-Südwestafrika gegeben hat, also der erste deutsche Genozid lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten verübt wurde – dann wird im Grunde dieses Herausschneiden der Verbrechen des Nationalsozialismus aus der deutschen Geschichte ad absurdum geführt.“

Zimmerer sieht daher die Notwendigkeit, den deutschen Umgang mit der Kolonialgeschichte zu überdenken: „Übernehmt doch bitte auch Verantwortung für die kolonialen Verbrechen. Das heißt, übertragt doch das Bewundernswerte in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust auch auf den Kolonialismus.“ Angesichts der politischen Situation in Deutschland könne der Umgang mit der Geschichte nicht nur positiv dargestellt werden: „Wenn man die Gesellschaft hat, in der im Grunde extrem rechte Positionen wieder im Bundestag sitzen, in der die NSU mordete, in der Hanau und Halle passierte, in der im Grunde die rassistischen Übergriffe eigentlich zunehmen, in der die antisemitischen Übergriffe zunehmen, kann man ja diese Vergangenheitsbewältigung nicht einfach abfeiern.“

 

Zum Beitrag: https://www.deutschlandfunk.de/der-neue-historikerstreit-was-hat-der-kolonialismus-mit-dem.1148.de.html?dram:article_id=503995