Von Vitjitua Ndjiharine – Zum Beitrag auf der englischen Seite

Von woher spreche ich?

Von woher spreche ich?

Ich spreche vom Balkon des Hauses meiner Eltern aus, mit Blick auf den Garten.

Ich spreche von dem Platz meiner Mutter aus, hinter dem Haupthaus, das wir in der Stadt gemietet haben.

Ich spreche von hier aus mit Blick auf den Aaus-Gebirgszug. Ich bin hier aufgewachsen mit meinen Eltern und meinen Geschwistern.

Ich spreche von dem Zimmer aus, in dem ich lebe mit meiner Mutter, meiner Schwester und meinem Bruder und manchmal mit meinem Vater, wenn er aus dem Dorf zurückkommt.

Manchmal spreche ich von dem Haupthaus der Familie in den Khomas Highlands aus, wo unsere Großfamilie und Freund*innen zum Jagen zusammenkommen. Mein Großvater hat ein großes Zimmer mit Jagdtrophäen. Er sagte, sein Urgroßvater reiste einmal nach Pakistan vor vielen Jahren, um einen großen schwarzen männlichen Himalaya-Steinbock zu schießen. Mag sein, wenn ich diesen Hof erbe, dass ich ihn in einen Giraffengut umwandle. Die sind meine Lieblingstiere.

Manchmal spreche ich vom Dorfwohnsitz meiner Großmutter aus. Im Sommer, wenn es sehr heiß wird, sprechen die Wellblechdächer und wenn es regnet, lecken sie. Nachdem der Ehemann meiner Großmutter verstorben war, kehrte sie nach Hause zurück und baute eine Hütte hinter dem Haus ihres Vaters. Dort zog sie ihre Kinder groß und ihre Kindeskinder. Sie hofft, dass genügend Raum für ihre älteren Söhne sein wird, um eines Tages ihre Gehöfte zu erweitern.

Dort ist auch die Farm meines Onkels im Maisdreieck, abgezäunt und voll mit grasenden Rindern, Früchten und Gemüse. Ich gehe dorthin manchmal zu Besuch. Dort gibt es einen großen Garten und einen großen Swimmingpool und auch Pferde. Mein Onkel sagt, dass das große Haus dort 1905 erbaut wurde. Er sagt, damals habe es eine Menge Ärger mit den Eingeborenen gegeben, aber seine Vorfahr*innen kämpften tapfer und gewannen. Das ist das Land seiner Vorfahr*innen.

Dort ist auch die Hütte meiner Tante bei der Game Lodge. Sie wohnt dort mit den anderen Arbeiter*innen. Sie arbeitet in der Jagdhütte als Kellnerin. Sie bedient viele Leute aus Deutschland, Südafrika, Australien und den Vereinigten Staaten, die ankommen, um die Tiere zu beobachten. Jeden Monat schickt sie ihrem Ehemann Geld, der in Babylon lebt. Er sucht Arbeit seit dem letzten Jahr. Wir gehen manchmal nach dort statt ins Dorf.

Meine Tante verließ Hamburg, um woanders ein neues Leben zu beginnen nach ihrer Scheidung. Sie zog nach hier und eröffnete eine schöne Frühstückspension an der Küste. Sie sagte, das ist der Neubeginn, den sie gebraucht hat.

Meine andere Tante säubert die Zimmer im Safari Hotel in der Nähe des Flughafens. Sie läuft jeden Tag eine Stunde zur Otjomuise Straße, um ein Minibus-Taxi zu bekommen, das sie billig auf die andere Seite der Stadt bringt. Sie wünscht sich, dass sie näher an ihrem Job wohnen kann.

Und dann kam die Dürre.

Und dann kam die Dürre.

Mein Vater arbeitet mit vielen Genossenschaftsbauer*innen aus dem ganzen Land zusammen. Während der Dürre pachtete er Weideland. Er sagte, dass die Dinge so schlecht für einige seiner Freund*innen liefen, dass sie ihre wilden Tiere versteigern mussten.

Mein Vater sagte, dass alle seine Kühe mager wurden und zu sterben begannen. Er sagte, in weit entfernten Orten hätte Löwen und Nilpferde angegriffen und Krokodile Kinder gefressen. In einem Dorf starben Leute, die versuchten, tief in der Erde nach Wasser zu graben. Es gab kein Wasser und kein Gras. Er verließ das Dorf, um Arbeit zu suchen auf einer Farm irgendwo zwischen Grootfontein, Tsumeb und Otavi. Dort lebte er in einer kleinen Hütte mit einem Raum eng zusammen mit den anderen Arbeiter*innen und ihren Familien.

Und dann kam Covid-19.

Und dann kam das Virus aus Übersee.

Meine Schwester scherzte bei der Vorstellung, nicht mehr reisen zu dürfen.

Meine Schwester scherzte bei der Vorstellung, von einem Überseevirus getötet zu werden, obwohl man nirgendwo hingereist ist.

Wir blieben zu Hause und man sagte uns, wir sollten Masken tragen.

Wir blieben zu Hause und man sagte uns, wir sollten Masken tragen.

Meine Tante nutzte ihre Frühstückspension als Quarantäneeinrichtung. Sie bekam Kundschaft von Tourist*innen, die kamen, um sich von den harten Auflagen des Lockdowns in Europa zu erholen. Hier gibt es so viele Freiheiten und frische Luft. Alles ist dort geschlossen.

Meine Tante verlor ihren Job und ihre Hütte bei der Pension. Sie sagte, dass sie Kosten einsparen musste, weil die Tourist*innen nicht mehr kamen. Sie sagte, dass es keine Entschädigung dafür gäbe, wenn man gekündigt wurde. Wenn man zur Pension mit 2 Dollar in der Tasche gekommen ist, wird man mit denselben 2 Dollar weggeschickt.

Mein Vater sagt, wir gehen zurück zur Farm, wo wir isoliert sind. Dort werden wir sicher sein. Es gibt keine Schule für die Kinder. Später wird sie online sein. Die Kinder müssen geschützt sein. Wir müssen unsere Vorratskammer auffüllen. In der Stadt ebenfalls. Nichtverderbliche Lebensmittel, sauberes Wasser, Toilettenpapier, Fleisch haben wir, Eier haben wir, Milch haben wir, Käse, Honig, Ingwer, Zitronen und Wein haben wir. Mein Vater sagt, dass alle Kinder zum Dorf in Otjiwetjombugu zurückgehen müssen. Kein Schulunterricht für die Kinder. Später wird mein Onkel die Schulaufgaben aus der Stadt bringen. Die Kinder müssen geschützt sein. Wir gehen zum Dorf mit 10 kg Top Score, 10 kg Zucker, 10 kg Pasta Polana Makkaroni, 5 kg Backpro Brotmehl, Speiseöl, schwarzem Tee und Sunlight Seifenstücken.

Wir warten ab, was mit der Pandemie passiert, aber wir hoffen, dass alles gut wird. Wir warten, was demnächst mit der Pandemie passiert, aber wir müssen zuversichtlich bleiben, dass wir da durchkommen.

Von dort aus spreche ich.

Von dort aus spreche ich.

*Inspiriert durch das anonyme chilenische Gedicht „Zwei Frauen“.

Ausstellungsansicht mit Bildern an den Wänden

FWDWS? EXHIBITION INSTALLATION AT THE FRANS NAMBINGA ARTS TRAINING CENTER

Vitjitua Ndjiharine

Foto: FWDWS?

Vitjitua Ndjiharine ist eine multidisziplinäre bildende Künstlerin. Ihre künstlerische Praxis umfasst Stoffe und Themen zur Geschichte, Kulturanthropologie und Massenmedien, wobei sie Konzepte dieser Disziplinen mit Malerei, Collage und örtlichen Installationen kombiniert.