Stade im heutigen Niedersachsen, das holsteinische Glückstadt, Königsberg (Kaliningrad) oder Emden an der niederländischen Grenze – diese Städte fungierten offiziell als Sitz verschiedener Handelskompanien, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den atlantischen Versklavungshandel involviert waren. Sie agierten unter schwedischer, dänischer oder brandenburgisch-preußischer Flagge und nutzten deshalb Städte in den jeweiligen Territorien als Heimathafen. Real standen jedoch vor allem Kaufleute aus den Niederlanden und Hamburg hinter den Kompanien, und ein Großteil der europäischen Geschäfte wurde auch dort abgewickelt. Doch wie entstand diese Konstruktion, in der vergleichsweise kleine oder abgelegene Häfen offiziell Ausgangspunkt, anders als Hamburg aber real für den Transatlantikhandel wenig bedeutend waren? Hintergrund ist das Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648. Schweden und Dänemark sicherten Besitz auf dem Gebiet des Deutschen Reichs: Schweden unter anderem rund um Stade südlich der Elbe, Dänemark behielt Holstein auf der anderen Flussseite. Schon vor Kriegsbeginn hatte Christian IV dort Festung und Hafen Glückstadt gründen lassen, um vom Handel auf der Elbe zu profitieren. Vorerst beeinträchtige der Krieg die Geschäfte stark, wenngleich Hamburg und Umland vergleichsweise wenig zerstört worden waren.

Nur ein Jahr nach Kriegsende entstand 1649 in Stade mit der Schwedischen Afrika-Kompanie (SAC) die erste entsprechende Gesellschaft. Der niederländisch-schwedische Kaufmann Louis de Geer war Initiator, der zweite zentrale Akteur Liebert Wolters vertrat die Gesellschaft in der Region Hamburg. Dort wurden die Schiffe teils ausgerüstet, besonders aber Waren aus Afrika und der Karibik verkauft. Während sich transatlantische Versklavungsfahrten der SAC nicht ausdrücklich nachweisen lassen, erlaubt ihr Vorgehen mit der Errichtung von Stützpunkten im westlichen Afrika für den ‚Dreieckshandel‘ kaum einen anderen Schluss. In jedem Fall hielt sich der wirtschaftliche Erfolg der SAC in Grenzen. Ab Mitte der 1650er Jahre kosteten europäische Konflikte, die auch an der westafrikanischen Küste oder auf den Meeren durch Kaperei ausgetragen wurden, die Gesellschaft einen Großteil ihrer Schiffe und ihres Kapitals.[1]

Um 1660 gründete sich die Glückstädter Afrika-Kompanie (GAC, auch als Dänische/Glückstädter Africanische oder Guineische Compagnie bekannt), ebenfalls mit starker niederländischer und hamburgischer Beteiligung sowohl auf Seiten der Geldgeber als auch des Personals. Unter anderem war der Hamburger Henning Albrecht ab 1662 Kommandeur der Kompanie-Stützpunkte auf dem Gebiet des heutigen Staats Ghana – von denen die GAC einige direkt von der SAC erobert hatte.[2] Zugleich teilten die skandinavischen Kompanien die niederländische und britische Konkurrenz als ständige Gegner. Auch aufgrund dieser für alle Beteiligten außerordentlich kostspieligen Auseinandersetzungen erfolgten Versklavungsfahrten von den GAC-Stützpunkten in den 1660er und 1670er Jahren vermutlich primär mittels portugiesischer Schiffe.[3] Nach Gründung der Dänischen Westindien-Kompanie 1671 – ab 1680 auch offiziell Westindisch-Guineische Kompanie (dän. Vestindisk-Guineisk Kompagni) – ging die Glückstädter Gesellschaft in ihr auf. Zusätzlicher Anlass für die Fusion, neben der schlechten Finanzlage, war die Kolonisierung der Karibikinsel St. Thomas, die Dänemarks Einstieg in die versklavungsbasierte Plantagenwirtschaft komplettierte.[4] Das Zentrum der Gesellschaft verschob sich nach Kopenhagen, von wo aus in den folgenden etwa 150 Jahren zahlreiche Versklavungsfahrten organisiert wurden. Hamburg und Altona behielten weiterhin eine gewisse Bedeutung für die Versorgung der Kompanie mit europäischen Handelswaren. Damit blieb Glückstadt wie zuvor Stade als Kompaniestandort eine Episode, doch keinesfalls eine bedeutungslose: Die GAC bereitete nicht nur Dänemarks atlantischem Kolonialreich mit den Weg, sie festigte auch Hamburgs Einbindung in den Überseehandel.

Die dritte Gesellschaft mit engen Verbindungen zu Hamburg war die Brandenburgisch-Afrikanische Kompanie (BAC). Auch in diesem Fall war neben dem Brandenburgisch-Preußischen ‚Großen Kurfürsten‘ Friedrich Wilhelm mit Benjamin Raule ein niederländischer Kaufmann federführend. Wie seine Landsleute sah er in der fremden Flagge eine Chance, die Monopolbestimmungen in den Niederlanden zu umgehen. Ursprünglich von den bedeutendsten Häfen des Territoriums in Königsberg bzw. Pillau ausgehend (heute Kaliningrad, Russland), stellte deren Abgelegenheit ein erhebliches Problem dar. Nicht nur deshalb war Friedrich Wilhelm an einer Kooperation mit Hamburg interessiert, das durch seine weitgehende Eigenständigkeit und die Lage an der Elbe punktete, die einen Transport ins brandenburgische Kernland erlaubte.[5] Nur ein Jahr nach Gründung der Kompanie vereinbarte Brandenburg-Preußen 1683 zudem einen Vertrag mit dem ostfriesischen Emden, das offizieller Sitz wurde. Trotzdem blieb Hamburg als Umschlagspunkt bedeutsam.

In den folgenden Jahrzehnten führte die BAC (später BAAC) in einem erheblichen Ausmaß Versklavungsfahrten durch. Ihr Abgesandter Otto Friedrich von der Groeben etablierte 1682/83 das Fort Groß Friedrichsburg auf dem Gebiet des heutigen Ghana – was angesichts des nach ihm benannten Groebenufers in Berlin in den 2000er-Jahren ansonsten seltene öffentliche Aufmerksamkeit für den preußischen Versklavungshandel erzeugte, bis die Straße 2010 in May-Ayim-Ufer umbenannt wurde.[6] Dieses Fort war Durchgangsstation für etwa 18.980 Menschen – so die Aufstellung der Historikerin Andrea Weindl –, die durch die BAC in die Amerikas verschleppt wurden. Die Schiffe steuerten in der Regel das dänische St. Thomas an. Ausgangspunkt der Fahrten war in mindestens einem Fall Hamburg: die Kurprinz ging 1683 von der Elbe an die Küste Westafrikas und anschließend in die niederländische Kolonie Berbice (heute Suriname), wo 254 versklavte Menschen angelandet wurden. Auch Emden fungierte als europäischer Hafen im ‚Dreieckshandel‘, weitere Schiffe gingen von niederländischen Häfen ab, bei vielen anderen ist der Start- und Zielhafen unbekannt. Oft dürften die Waren letztendlich Hamburg erreicht haben, das im 17. und 18. Jahrhundert eines der europäischen Zentren des Handels und der Verarbeitung von Zucker wurde – wenn die Schiffe nicht auf der Fahrt verloren gingen oder von anderen europäischen Mächten gekapert wurden. Solche Rückschläge trugen erheblich zum Niedergang der Kompanie bei: Spätestens 1711 war die Kompanie weitgehend handlungsunfähig, wurde verstaatlicht und schließlich aufgelöst. Brandenburg-Preußens direkte, staatliche Beteiligung am atlantischen Versklavungshandel endete damit.[7]

Für die von ihnen oder mit ihrer Hilfe verschleppten Menschen dürfte es zwar keinen großen Unterschied gemacht haben – doch insgesamt sind die Geschichten aller drei Kompanien der Hamburger Nachbarstaaten Geschichten des Scheiterns. Auch Hamburger Anteilseigner und kooperierende Kaufleute verloren dabei mit Sicherheit Geld, einige Seeleute aus der Stadt ihr Leben. Nichtsdestotrotz dürfte Hamburg von SAC, GAC und BAC insgesamt erheblich profitiert haben. Die Bedeutung des Hafens für den Handel mit europäischen Erzeugnissen für den Verkauf an der Westküste Afrikas und in den Amerikas wuchs in den Jahrzehnten nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs genauso wie die als Umschlagplatz in der Gegenrichtung, den Kolonialwarenhandel. Dass mit dem Niedergang der Kompanien um 1700 bis weit ins 18. Jahrhundert hinein Hamburgs Direkthandel mit den Plantagenkolonien praktisch zum Erliegen kam, tat dem keinen Abbruch. An seine Stelle trat der Zwischenhandel zwischen westeuropäischen Metropolen und dem ‚Hinterland‘, bis im späten 18. und 19. Jahrhundert die direkte Beteiligung am Kolonialhandel wieder neue Fahrt aufnahm.


[1] Kellenbenz, Hermann, La Place de l’Elbe inférieure dans le commerce triangulaire au milieu du XVIIe siècle., in: outre 62 (1975), S. 186–195, hier S. 187–189. Siehe auch Lohmann, Reinhard, Die Familie Wolters in Hamburg während des 17. Jhs. und die Beziehungen von Liebert Wolters Vater und Sohn nach Schweden, Köln 1969.

[2] Nørregaard, Georg, Danish Settlements in West Africa, 1658–1850, Boston 1966, S. 21–30.

[3] Ressel, Magnus, Das Alte Reich und der transatlantische Sklavenhandel. Drei Schlaglichter auf eine historische Verflechtung 2021, https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/altesreich_sklavenhandel_ressel.

[4] Nørregaard, Settlements, S. 47–50.

[5] van der Heyden, Ulrich, Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg an der westafrikanischen Küste, 2., veränd. Aufl., Berlin 2001, S. 11

[6] Ervedosa, Clara Guimarães, Das May-Ayim-Ufer in Berlin, in: Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, hrsg. v. Jürgen Zimmerer, Frankfurt am Main [u.a.] 2013, S. 424–441.

[7] Weindl, Andrea, Die Kurbrandenburger im ‚atlantischen System‘. 1650–1720, Köln 1998, https://lateinamerika.phil-fak.uni-koeln.de/fileadmin/sites/aspla/bilder/arbeitspapiere/weindl.pdf, S. 79–81.