Letztes Jahr erhoben wir Einspruch gegen den Bebauungsplan zum Baakenhafen und wiesen auf die Notwendigkeit eines Dokumentationszentrums Kolonialismus und Genozid hin, handelt es sich doch um einen authentischen Erinnerungsort an den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, der von 1904-1908 an den Herero und Nama im heutigen Namibia verübt wurde. Der Baakenhafen war in Deutschland die zentrale logistische Drehscheibe des Genozids, von dem 95% aller deutschen Soldaten in den Krieg fuhren. Wir forderten, dass zuerst die erinnerungspolitischen Planungen abgeschlossen und dann erst die weitere Bebauung vorgenommen werden sollte.
Nun müssen wir leider feststellen, dass unsere Einwände bisher unberücksichtigt blieben. Zudem sehen wir in der Entscheidung, die Stiftung einer Oper durch Klaus-Michael Kühne ausgerechnet am Baakenhöft zu akzeptieren, das Risiko, die Überbauung der kolonialen Geschichte Hamburgs zu intensivieren. Kühne möchte der Stadt mit €330 Millionen ein neues Wahrzeichen schenken. Dieses neue Wahrzeichen würde ausgerechnet den authentischen Ort des Genozids überdecken. Letzteres steht im Widerspruch zum erklärten Ziel, das koloniale Erbe der Stadt ernsthaft aufzuarbeiten.
Die Kühne-Oper gerade auch an diesem Ort ist aus verschiedenen Gründen problematisch.
- Ein zentraler authentischer Ort der Erinnerung an koloniale Verbrechen in Deutschland wird versiegelt und – bildlich gesprochen – überschrieben, und zu einem Ort des Vergnügens.
- Der Ort, der wie kaum ein zweiter für das Verhältnis von Genozid und Logistik steht, wird zu einem Prestigeprojekt für einen Mann, an dessen Bereitschaft, die Rolle der eigenen Logistikfirma am Holocaust aufzuklären, immer wieder Zweifel geäußert wurden.
Daraus ergeben sich für den zukünftigen Umgang bedeutende Fragen:
- Wie kann ein Erinnerungsort entstehen, wenn er durch ein Projekt überlagert wird, dessen Stifter selbst den Anschein, eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Firmengeschichte zu vermeiden, nicht ausräumt?
- Wie positioniert sich die Stadt Hamburg zu der historischen Verantwortung des Stifters?
- Was unternimmt die Stadt Hamburg konkret, damit die koloniale und genozidale Geschichte des Ortes nicht durch den Opernneubau überlagert wird?
Wir fordern daher, dass die historische Bedeutung des Baakenhafens in der Stadtplanung endlich angemessen berücksichtigt wird. Ein Dokumentationszentrum für das koloniale Erbe Deutschlands ist überfällig und sollte an diesem Ort entstehen. Die Stadt Hamburg sollte die finanzielle Förderung des Opernprojekts durch den Stifter mit der Bedingung verbinden, die Errichtung eines solchen Dokumentationszentrums substanziell mitzufördern und den Bau eines solchen Ortes finanziell zu ermöglichen. Gleichzeitig muss die bauliche Planung des Opernbaues einen sichtbaren kolonialen Erinnerungsort auf dem Baakenhöft berücksichtigen.
Prof. Dr. Jürgen Zimmerer
2014-2024 wiss. Leiter Projektverbund „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“
Dr. Kim Todzi
2015-2024 wiss. Mitarbeiter Projektverbund „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“