Im ‚Welt‘-Interview widerspricht Prof. Dr. Jürgen Zimmerer Rechtfertigungen, die eine positive Bilanz des deutschen Kolonialismus in Afrika zu ziehen versuchen. Diese Positionen vertritt etwa der umstrittene US-Politologe Bruce Gilley, der seine Thesen auf AfD-Einladung in Berlin vorstellen sollte. Schon die Grundüberlegungen einer Bilanzierung seien nicht wissenschaftlich zu vertreten, denn: „Wer bestimmt eigentlich, welche Lasten noch erträglich wären für welchen Nutzen? Schon diese Frage atmet den Geist kolonialer Zivilisationsmission.“ Eine solche Aufrechnung beruhe zwangsläufig auf einem eurozentrischen Fortschrittsglauben. Das Thema koloniales Erbe würde in den letzten Jahren auch deshalb zunehmend in die parteipolitischen Debatten gelangen, so Zimmerer, weil die Bundesrepublik in der Aufarbeitung des Kolonialismus kaum Fortschritte erziele.
Der These, die Kolonialherrschaft sei in der Bevölkerung akzeptiert worden, widerspricht Zimmerer ebenfalls entschieden: „In allen deutschen Kolonien Afrikas wurde der deutsche Herrschaftsanspruch gegen erheblichen Widerstand mit Gewalt durchgesetzt.“ Auch die oft genutzte Rechtfertigung, die Dekolonialisierung habe in vielen Staaten die Bedingungen verschlechtert, sei unzutreffend: „Der Kolonialismus korrumpierte durch seine Politik des ‚teile und herrsche‘; er schuf so auch viele Konfliktlinien, die auch später noch nachwirkten. … Wenn Sie jetzt noch die teilweise im Kolonialen verhafteten Strukturen der Weltwirtschaft dazu nehmen, dann wird die Verantwortung des Kolonialismus auch für Korruption und Bürgerkriege schon sehr deutlich.“
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