Im Interview mit der Jungen Welt thematisiert Prof. Dr. Jürgen Zimmerer die gegenwärtigen Debatten über die Aufarbeitung des Kolonialismus. Es sei richtig, dass Themen wie der deutsche Genozid an Herero und Nama in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit erhielten. Allerdings versuche die Politik kontroverse Themen hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, also „statt eine breite politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung über die kulturellen, sozialen, ökonomischen oder epistemischen Folgen des Kolonialismus zu führen, das Thema in Gremien, Kommissionen und Förderinstitutionen zu entsorgen.“ Gleichzeitig erhielten wissenschaftlich unseriöse Positionen wie eine positive Darstellung des Kolonialismus aus politischen Überlegungen wieder Auftrieb.

Daher stehe eine grundlegende Dekolonisierung immer noch aus, sowohl auf einer symbolischen Ebene in Form etwa von Straßennamen, als auch grundlegend strukturell mit Bezug auf gesamtgesellschaftliche Identitätsvorstellungen: „Die kritische Aufarbeitung des kolonialen Erbes ist eben nicht – nur – vergangenheitsbezogen. Wir verhandeln dabei auch die zukünftige Form unseres Gemeinwesens.“ Auch die weiteren Zusammenhänge des Kolonialismus seien zu beachten, wie Zimmerer im Konzept der ‚Environmental Violence‘ formuliert hat, etwa in Form von Ressourcenknappheit und damit zusammenhängender Gewalt.

Zum Interview: https://www.jungewelt.de/artikel/370180.strukturelle-gewalt-auch-das-geh%C3%B6rt-zum-kolonialen-erbe.html