Zusammenhänge zwischen den aktuellen Debatten um Deutschlands koloniales Erbe und Gewaltgeschichte sowie den Klimawandel sind nicht auf den ersten Blick ersichtlich – im Interview mit Medico International zeigt Prof. Dr. Jürgen Zimmerer die Verbindungen auf. Bezüglich der Forderungen nach Restitution geraubter Kulturgüter hält er fest: „Die deutsche Regierung und die hiesigen Museumsverantwortlichen geben immer erst nach, wenn es gar nicht mehr anders geht.“ Die Entscheidungsgewalt über die jeweiligen Prozesse bleibe dabei in Deutschland. Auch in den Verhandlungen mit Namibia über aus Sicht der Deutschen Regierung freiwillige Hilfszahlungen – ausdrücklich nicht „Wiedergutmachung“ – für den Völkermord an Herero und Nama präge der deutsche „koloniale Gestus“ die Verhandlungen.
Der Genozid an Herero und Nama spiele eine Schüsselrolle in der Debatte über die Kontinuitäten von Kolonialismus und Holocaust, was einen zentralen Streitpunkt zur deutschen Geschichte berühre, so Zimmerer: „Unter Historikerinnen und Historikern erleben wir jedoch gerade eine Diskussion um eine positivere Neubewertung des Kaiserreiches. Es geht aber eigentlich um die Debatte, wie sehr die Verbrechen des Dritten Reiches in der deutschen Geschichte verwurzelt sind.“
Aus der Genozidforschung ergäben sich zudem Folgerungen für den Umgang mit dem Klimawandel: „Ich fürchte, dass wir mit Blick auf die globale Krise immer wieder im Eurozentrismus landen.“ Denn: „Klimakrise und Kolonialismus hängen zusammen, aber auch Dekarbonisierung und Dekolonisierung.“ Unabhängig von den getroffenen politischen Entscheidungen sei mit massiven Veränderungen in Europa und der Welt zu rechnen: „Die Folgen des Klimawandels bedeuten damit das Ende Europas, wie wir es kennen“
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