Von Tania Mancheno (Universität Hamburg)

Foto: (c) Tania Mancheno

Am Abend des 30. Mai 2017 spielte auf Kampnagel das Ensemble Trio Joubran zusammen mit Youssef Hbeisch, dem Meistermusiker in sogenannter „orientalischer Percussion“. Selten lassen sich solche Konzerte in Hamburg erleben, die es tatsächlich schaffen, das Publikum auf eine nachdenkliche Reise mitzunehmen, ohne sich dabei auf den ethnischen Tourismus des Musicals einlassen zu müssen.

Einerseits bringt Youssef Hbeisch mit seiner singulären Form des Spielens nicht nur Menschen zum Tanzen, sondern schafft es auch durch Musik Heilungsstrategien für vulnerable Gruppen und Individuen zu generieren. Laut eigener Darstellung beschäftigt er sich mit Genderfragen, indem er eine bestimmte Musiktherapie für Frauen entwickelte, die eine Gewalterfahrung aufzuarbeiten versuchen.

Anderseits werden durch die Oudmusik der drei Joubran-Brüder die Farben der Wüste vermittelt, welche sich schnell in die Musik der Sterne und der Sternenschnuppen verwandelt, die wahrscheinlich am freien Himmel Haifas, Gazas und in einer bombenfreien Nacht in Aleppo, zu sehen sind.

Es ist allerdings nicht einfach, nur über Sachverhalte in diesem Bericht zu schreiben. Die Musik von Trio Joubran beinhaltet eine besondere ästhetische Komponente, welche die Emotionen zum Tanzen bringt.

Foto: (c) Tania Mancheno

Ich habe die Möglichkeit gehabt, direkt vor dem Konzert ein Interview mit Anas Aboura (Kurator Kampnagel/ Migrantpolitan) zu führen. Ich fragte ihn was es für ihn bedeutet, Trio Joubran in Hamburg erleben zu dürfen, nachdem er so viele Monate in die Vorbereitung für das Konzert investiert hatte. Aboura sagte:

„By inviting them, I try to give the opportunity to all people in Germany to listen to them, because they are amazing. It is a kind of magic.“

Darüber hinaus fragte ich ihn: „Was bedeutet für dich die Musik von Trio Joubran? Gibt es eine Botschaft, welche besonders durch die Oudmusik vermittelt wird?“ Er antwortete mir:

„In general, art from the Orient, and especially from the Middle East contains peace, love and passion. Somehow, I do not feel the same about German art. German art is modern, contemporary art. This is what we can share this year. For us, it is a nice opportunity to show our culture; of how it has driven us into new horizons …. of relaxation, and of love.“

Zuletzt fragte ich was die eurozentrischen, geografischen Begriffe „Oriental/ Orientalisch“ für ihn bedeuten, und was genau die Begriffe seiner Meinung nach wiedergeben. Aboura teilte Folgendes mit mir:

„In Germany, Germans know the Orient as low culture. What we are trying to do is to change the meaning of this word because for us, for all oriental people, oriental culture is rich. In fact, it is much richer than European culture. So let’s see how Germans will react. See you at the concert!“

Eine Kritik am Begriff „Orient“ ist eine der grundlegenden Thesen im postkolonialen Denken. So schrieb der Palästinenser Edward Said 1978 das bereits zum Klassiker des Postkolonialismus gewordene Werk: Orientalismus. In diesem Buch erklärt Said, wie das geographische Wort Orient sich in den politisierten Begriff des Orientalismus verwandelte.

Wie in Saids Kritik findet sich auch in Abouras Erklärung der Versuch wieder, der eurozentrischen Definition des Orients entgegenzuwirken. Die Notwendigkeit der  Umdeutung des Begriffes zeigt, dass Rassismus sich nicht nur in der Negativität ausdrückt. Die Gewalt findet sich genau so im kolonial geprägten exotisierenden Charakter anderer Zivilisationen wieder.

Neben ihrer Musik brachte das Trio Joubran–Ensemble einige Botschaften aus Palästina nach Hamburg mit.  Samir Joubran sprach über die alternative Geographien der kulturellen Zugehörigkeit, welche durch das Oud zwischen Palästina und Marokko entstehen. Zu dieser musikalischen Kartographie lässt sich auch die in Spanien entstandene Musik des Flamencos zugehörig begreifen, da Flamenco auch die Inspiration der viel älteren Tradition der Oudmusik mit sich trägt.

Die Ergebnisse des Trio Joubran Konzertes waren nicht nur erfolgreich, sondern auch sehr bewegend. Mit mehr als 400 Zuschauerinnen und Zuschauer habe ich selten den größten Saal von Kampnagel K6  so voll erlebt. Während des Konzertes sang Hamburg auf Arabisch. Für die Zeit des Konzertes war Arabisch keine Fremdsprache mehr. Das Konzert zeigte, dass durch die Sichtbarkeit der Oudmusik und durch eine Kultur des Teilens die Möglichkeiten der Kommunikation und der gegenseitigen Übersetzungsfähigkeiten potentiell steigen.

Samir Joubran teilte mit dem Publikum ein Wortspiel, das ihren Beruf als Musiker auch als Akt des Widerstands ausweist: Die Oudmusik sei die ‚good occupation‘‚ „wodurch wir uns gegen die schlechte Besatzungsform (bad occupation) wehren“.

Ein großes Lob für den transkulturellen Abend geht an den Organisator des Konzertes, Aboura, der auch das mehrmals im Jahr stattfindende Karaoke Oriental, eine „Post-Willkommens Karaoke-Liebe für alle zwischen Damaskus und Hamburg“, organisiert. Es gehört  zu den bestbesuchten Veranstaltungen auf Kampnagel.

Falls Sie das Konzert verpasst haben und Karaoke Sie nicht anspricht, Sie jedoch Interesse daran haben, mehr über die Postwillkommenskultur in Hamburg zu erfahren und sie mitzuerleben, haben Sie zurzeit am Ramadan Pavillon in St. Georg die Möglichkeit das Fastenbrechen Iftar mitzufeiern. So zeigt sich, dass die Zeit des Ramadans auch ein Fest in und für Hamburg ist.