Vom 18. Juni bis 13. Juli 2018 ist in der Hamburger Rathausdiele die Ausstellung „Unser Afrika“ des deutsch-amerikanischen Fotokünstlers Marc Erwin Babej zu sehen. Bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung betonte Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, dass Hamburg als „Tor zur kolonialen Welt“ bei der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte „eine besondere Verantwortung“ trage.

Katharina Fegebank, Foto: Jan Pries, © Pressestelle des Senats

Katharina Fegebank, Foto: Jan Pries, © Pressestelle des Senats

„Mit der Ausstellung ‚Unser Afrika‘ in der Rathausdiele wollen wir einen weiteren Beitrag zur dringend notwendigen Aufarbeitung unserer Vergangenheit leisten und dabei den Blick auf unsere gemeinsame Zukunft in einer globalisierten Welt richten“, so Fegebank in ihrer Eröffnungsrede. Nach der Bitte um Vergebung, die Kultursenator Dr. Carsten Brosda Anfang April gegenüber Vertreter*innen der Herero und Nama ausgesprochen hatte, ist die Fotoausstellung ein weiteres Zeichen der Stadt, die Aufarbeitung des kolonialen Erbes voranzutreiben.

„Eines meiner Hauptziele für Unser Afrika war, mehr Aufmerksamkeit auf das politisch und gesellschaftlich vernachlässigte Thema der deutschen Kolonialgeschichte, und insbesondere den Völkermord an den Herero und Nama, zu lenken“, betont der Künstler Marc Erwin Babej. Die Ausstellung fokussiert konsequent auf die Gedankenwelt der Täter*innen und verfremdet dabei provokativ koloniale Sehgewohnheiten. Babej gehe es nicht nur darum, mit dieser Ausstellung neue Akzente für politische Kunst zu setzen, sondern vor allem um eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus und dessen visuellem Erbe.

 Marc Erwin Babej führt durch die Ausstellung, © Pressestelle des Senats


Marc Erwin Babej führt durch die Ausstellung, © Pressestelle des Senats

Die Dekonstruktion dieses visuellen Erbes kolonialer Vorstellungswelten ist auch ein Anliegen der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“, wie Prof. Dr. Jürgen Zimmerer im Zuge der Ausstellungseröffnung ausführte. „Unser Afrika“ biete daher eine wichtige Ergänzung zur Arbeit der Forschungsstelle. Die Ausstellung „spielt mit diesen Seherwartungen und bricht sie durch Perspektivumkehr“, so Zimmerer: „Das provoziert, regt zum Nachdenken darüber an, welche kolonialen und rassistischen Bilder wir immer noch im Kopf haben, und wie dies zu überwinden ist.“

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, © Pressestelle des Senats

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, © Pressestelle des Senats

Um über eingeübte Sehgewohnheiten, Fragen der Perspektivumkehr sowie die Möglichkeiten und Grenzen gegenwärtiger künstlerischer Auseinandersetzungen mit Kolonialismus zu diskutieren, lud die Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ am 19. Juni 2018 zu einer öffentlichen Führung durch die Ausstellung mit Marc Erwin Babej und Jürgen Zimmerer sowie zu einem Künstlergespräch im Bucerius Kunst Forum.

Wie schon am Tag zu vor bei der Ausstellungseröffnung, leitete Bürgermeisterin Fegebank auch hier in die Diskussion ein, deutliches Zeichen für den hohen Stellenwert, den sie und der Hamburger Senat der Aufarbeitung des kolonialen Erbes zubilligen. „Unser Afrika“ sei für sie ein wichtiger Impulsgeber und ice-breaker für die Aufarbeitung von Hamburgs Kolonialvergangenheit.

Katharina Fegebank (c) Kim Todzi

Katharina Fegebank (c) Kim Todzi

Sie betonte das große Potential, durch den Dialog von Wissenschaft und Kunst und die Arbeit der artists in residence der Forschungsstelle, Blickwinkel auf die Vergangenheit zu wechseln und die nötige zivilgesellschaftliche Debatte anzuregen. Die Geschichte müsse neu betrachtet werden, den „remembering together is the only way to a peaceful future“, so Fegebank.

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Vitjitua Ndjiharine und Marc Erwin Babej (c) Kim Todzi

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Vitjitua Ndjiharine und Marc Erwin Babej (c) Kim Todzi

Zwei Stunden lang widmete sich das Künstlergespräch „Re-viewing Colonialism. Art und History“ genau diesen Fragen und dem Potential von Kunst, im Prozess der Aussöhnung Aspekte zu thematisieren, die Historiker*innen nicht einbringen können. Moderiert von Prof. Dr. Jürgen Zimmerer sprachen Vitjitua Ndjiharine, eine der 3 namibischen artists in residence der Forschungsstelle  und Marc Babej über ihre Zugänge zu Geschichte, künstlerischen Strategien im Umgang mit Stereotypen, inwiefern sie ihre Kunst als politisch betrachten und wie sie jeweils beide die deutsche Kolonialgeschichte in Namibia und den Genozid an den Herero und Nama verarbeiten.

Während Babej sich in dieser Arbeit an Suprematie-Diskursen, Propaganda und der Hartnäckigkeit von visuellen Stereotypen abarbeitet und damit dezidiert das Ziel verfolgt, mit seiner Kunst Menschen zum Nachdenken anzuregen und sich eine eigene Meinung zu bilden, erklärte Ndjiharine, dass ihre Arbeiten als persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur und Geschichte der Herero sowie der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia begannen. Ihre Collagen und Bilder nehmen auf den Genozid an den Herero und Nama Bezug, und so sei es schlichtweg nicht möglich, bei der Erkundung ihrer eigenen Gedanken und Gefühle die Politik dabei außen vor zu lassen, so Ndjiharine: „There is no way out of politics, especially as a black woman. Black bodies are politicised; the personal is political.“

 

(c) Kim Todzi

(c) Kim Todzi

Kunst solle provozieren und Menschen dazu bewegen, über unangenehme Themen nachzudenken. Babejs stark inszenierte Fotos voller intertextueller Referenzen, die das visuelle Erbe des Kolonialismus auf verstörende Weise ästhetisieren, provozieren eindeutig. Doch damit Kunst politisch etwas bewirken könne, sind sich Babej und Ndjiharine einig, brauche es mehr als „nur Kunst“; es brauche Allianzen, um Diskurse in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext zu beeinflussen. In der aktuellen Medienberichterstattung zur Austellungseröffnung wurde und wird „Unser Afrika“ eindeutig als politisches Statement in der Debatte um die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama betrachtet. Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen von Kunst, politische Diskurse zu beeinflussen aufgreifend, endete das Gespräch mit einem Blick in die Zukunft. Wie soll in 20 Jahren „Unser Afrika“ und die entstehende Ausstellung zur Visual History of the Colonial Genocide der namibischen artists in residence bewertet werden? Was würden Babej und Ndjiharine sich wünschen als Impuls, den ihre Kunst jeweils setzen kann, fragte Zimmerer.

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Vitjitua Ndjiharine und Marc Erwin Babej (c) Kim Todzi

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Vitjitua Ndjiharine und Marc Erwin Babej (c) Kim Todzi

Ein stärkeres Bewusstsein für Suprematiediskurse und deren Wirkmacht bis in die Gegenwart zu schaffen, antwortete Babejs, und verknüpfte diese Aussage mit der Hoffnung, dass in 20 Jahren die Aufarbeitung des Kolonialismus und dessen Fortwirken ein weniger umkämpftes Feld sei, so der deutsch-amerikanische Fotokünstler.

In 20 Jahren sollen Menschen, die zuvor keine Chance hatten, sich Gehör zu verschaffen, ihre Stimmen erheben können, hoffte Vitjitua Ndjiharine: In Hinblick auf den Genozid an den Herero und Nama sollen junge Namibier*innen die Möglichkeit haben „to be players in global history, finding different narratives and teaching narratives that do not traumatize but empower“.

„Unser Afrika“ ist noch bis 13. Juli 2018 in der Hamburger Rathausdiele zu sehen. Die entstehende Ausstellung zum Projekt „Visual History of the Colonial Genocide“, an der Vitjitua Ndjiharine beteiligt ist, wird im Dezember 2018 in Hamburg und im August 2019 in Windhuk zu sehen sein.