Durch das nach ihm benannte Institut ist Robert Koch derzeit in aller Munde – doch der Medizin-Nobelpreisträger ist kein unbelasteter Namenspatron, wie Prof. Dr. Jürgen Zimmerer im Welt-Interview betont. Koch führte seine Forschungen zur Schlafkrankheit ab 1905 unter anderem im deutschen und britischen Kolonialreich in Ostafrika durch, insbesondere am Victoriasee. Dabei verabreichte er ohne Einwilligung der Kranken „Medikamente mit schwersten Nebenwirkungen“ wie Atoxyl. Zwar sei dieses Vorgehen nicht mit NS-Menschenversuchen gleichzusetzen, wo Gesunde gezielt infiziert wurden, so Zimmerer. Doch müsse Kochs Vorgehen auch ethisch diskutiert werden. Es stelle sich durch die zwangsweise Verabreichung von Medikamenten mit schweren und schmerzhaften Nebenwirkungen die Frage: „Darf man wenige opfern, um (vielleicht) viele zu retten?“
Statt Robert Kochs Reisen pauschalisierend als „dunkelstes Kapitel seiner Laufbahn“ zu bezeichnen (Robert-Koch-Institut über Robert Koch), sollten die Expeditionen in ihrem historischen Kontext interpretiert werden. Koloniale Medizin im Allgemeinen und konkret Kochs Versuche wiesen mehrere Ebenen auf, die zentral mit den europäischen Ambitionen in Afrika verknüpft waren. Die koloniale Medizin sollte die Gesundheit der Kolonisatoren sicherstellen, die Bevölkerung der Gebiete als Arbeitskräfte erhalten und Versuche durchführen, die sie in Europa wegen der großen Risiken nicht akzeptiert wurden. Daher werde deutlich, so Zimmerer: „Koch nutzte den Spielraum, den die Kolonialherrschaft eröffnete.“
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