Noch immer erfährt Bismarck eine positive Darstellung als Gründer des Deutschen Reichs – dabei sei zumindest ein kritischer Blick auf seine Bedeutung für das deutschen Kolonialreich erforderlich, so Prof. Dr. Jürgen Zimmerer. Als Reichskanzler bei der Kolonisierung und Organisator der Berliner Afrika-Konferenz war der „doppelte Reichsgründer“ zentral, es könne nicht nur von einer ‚gewissen Nähe‘ zum Kolonialismus die Rede sein, wie Zimmerer schon ausführlicher analysiert hat.

Auch die Entschuldigungen, dass Bismarck kein Kolonialenthusiast war und nur aus realpolitischen Erwägungen zustimmte, greifen zu kurz, so Zimmerer: „Realpolitik ist im Grunde zynische Machtpolitik“, „das geht in diesem Fall auf Kosten von Millionen Menschen und eines Erbes dieser kolonialen Aufteilung in Afrika, das bis heute nachwirkt“. Auch die strukturellen Hintergründe sprächen gegen jede Apologetik: „Es ist erforderlich, dass man den Kolonialismus als das begreift, was er wirklich war, nämlich ein strukturell rassistisches Unrechtssystem, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ – nicht einzelne Exzesse seien zu verurteilen, sondern das ganze System: „der Kolonialismus war ein Verbrechen“.

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