Schriftlichen Artefakten kommt in der europäischen Aneignung materieller Güter außereuropäischer Provenienz eine zentrale Rolle zu. Dennoch erfahren Manuskripte in der aktuellen Debatte um die Provenienz von Objekten und Human Remains aus kolonialen Kontexten kaum Aufmerksamkeit. Der Erforschung dieser Leerstelle widmet sich Jakob Wigand seit August 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand im Projekt „Colonized Manuscripts. The Provenance of Hamburg’s Papyrus Collection“, das von Prof. Dr. Jürgen Zimmerer geleitet und durch die DFG im Rahmen des Exzellenzclusters „Understanding Written Artefacts“ der Universität Hamburg gefördert wird.

Die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg besitzt eine beeindruckende Sammlung außereuropäischer Manuskripte, darunter etwa 1100 Papyri aus Ägypten. Während der Inhalt dieser Manuskripte relativ gut erforscht ist, wissen wir wenig über den sozialen, kuturellen und politischen Kontext ihrer Sammlung und Aneignung. Im Rahmen seines Promotionsprojekts erforscht Jakob Wigand die Provenienz der Hamburger Papyri: Die Beweggründe für die Etablierung einer Sammlung, die Mechanismen ihres Erwerbs, ihre Verbringung nach Hamburg sowie den Umgang mit den Manuskripten, also ihre Dokumentation, Konservierung, Erforschung und Wirkung. Die Geschichte der Sammlung wird im Kontext der lokalen Hamburger Wissenschaftslandschaft, nationaler Sammlungsbemühungen sowie kolonialer Wissenschafts- und Kulturpolitik in Ägypten erforscht.

Jakob Wigand studierte Politikwissenschaft in Nancy und Berlin und absolvierte einen Masterstudiengang in Kolonial- und Globalgeschichte an der London School of Economics and Political Science. In seiner Masterarbeit untersuchte er unter dem Titel „‘Winning Africa.‘ West Germany, the EEC and the Cold War in Africa, 1956-1957” die deutsche Position in den Verhandlungen um eine Assoziierung afrikanischer Kolonien an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG im Rahmen der Römischen Verträge. Während eines Volontariats am Weltmuseum Wien befasste er sich eingehend mit kolonialer Provenienz und arbeitete an der digitalen Erschließung der Sammlungen der österreichischen „Afrikareisenden“ Emil Holub und Rudolf Pöch.