Von Jürgen Zimmerer und Kim Todzi

Deutschlands höchstes Kolonialdenkmal steht am Hamburger Hafen. Es ist zugleich eines der umstrittensten. Kontrovers, zum einen, weil es von vielen nicht als Kolonialdenkmal erkannt wird, zum anderen, weil es mit der erinnerten Person ins Zentrum des nationalen Kerns der deutschen Geschichte führt. Die Rede ist vom 34 Meter hohen Bismarck-Standbild im Alten Elbpark.

1906 als Zeichen der Dankbarkeit Hamburger Kaufleute für den Reichsgründer errichtet, ehrt es zugleich auch den Gründer des deutschen Kolonialreichs. Der Standort am Hafen, mit Blick elbabwärts in Richtung Meer, ist steinerne Bestätigung des Selbstbildes Hamburgs als »Tor zur Welt« und damit zugleich auch von dessen Rolle als Kolonialmetropole: Von der Elbmündung kamen auch die Schiffe aus »Übersee« oder entschwanden dorthin.

Zu sehen ist das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark. Rund um das Bismarck-Denkmal herum stehen Bäume. Neben dem Bismarck-Denkmal steht ein Kran.
Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark

Lange Jahre im Dornröschenschlaf, weithin versteckt und dem Publikumsverkehr entzogen, wurde das Denkmal während des Beust/Schill-Senats zu Beginn des Jahrtausends feierlich beleuchtet und so wieder etwas ins öffentliche Bewusstsein gerückt. 2015 fiel dann die Entscheidung zur aufwendigen Restaurierung, ohne dass dies zu öffentlichen Debatten über Sinn und Zweck der Wiederherstellung oder gar über gedächtnispolitische Konsequenzen geführt hätte.

Ein erstaunlicher Befund, da fast zeitgleich vom Senat der Hansestadt, also ihrer Regierung, auch der Beschluss zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes fiel. Noch der Beginn der Restaurierungsarbeiten Anfang 2020 erfolgte weitgehend geräuschlos. Ein Kennzeichen kolonialer Amnesie auch das. Als jedoch mit der Ermordung von George Floyd die Black-Lives-Matter-Bewegung international an Aufmerksamkeit gewann und in Europa Kolonialdenkmäler in die Kritik gerieten, begann auch eine breitere öffentliche Debatte um Bismarck.

Führten Kritiker*innen des Denkmals die unbestreitbare Rolle Otto von Bismarcks bei der Kolonialreichsgründung und der Aufteilung Afrikas unter die europäischen Kolonialmächte auf der Berliner »Afrika-Konferenz« an, wiesen dessen Verteidiger*innen auf die vermeintlich kolonialkritische Haltung des Reichskanzlers hin. Forderten die einen den Abriss des Denkmals oder zumindest einen sofortigen Restaurierungsstopp[1], wollten die anderen es bei einer Kontextualisierung durch einen Informationsbereich belassen. Die Forderung nach einer (radikalen) »Entheroisierung«[2] (Zimmerer), einer Brechung der Sehgewohnheiten, wurde zügig von der Politik übernommen und von Kultursenator Carsten Brosda in den schönen Begriff der notwendigen Erzeugung eines »Störgefühls«[3] gegossen.

Wie dieses Störgefühl umgesetzt werden soll und kann, wie das Bismarck-Denkmal in die (post-)koloniale Erinnerungs- und Gedächtnislandschaft Hamburgs einbezogen werden wird, darüber herrscht (noch) kein Konsens. Dass das Thema weit über Hamburg hinaus auf Aufmerksamkeit stößt und Bedeutung hat, zeigen jedoch schon die Anfänge der Debatte im Jahr 2020 und auch das überregionale Medieninteresse daran.[4]

Mehr Informationen zur Rolle und Bedeutung des Bismarck-Denkmals im Alten Elbpark als postkolonialer Erinnerungsort finden Sie in „Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung“.


[1] Vgl. etwa den Aufruf der Initiativen »Intervention Bismarck-Denkmal« und »Decolonize Bismarck« zur Kundgebung »Bismarck stoppen!« am 28.06.2020: https://www.keine-stimme-den-nazis.org/7212-aufruf-der-intervention-bismarck-denkmal-decolonize-hamburg (zuletzt aufgerufen am 10.06.2021).

[2] Vgl. etwa Jürgen Zimmerer: Wir müssen die Denkmäler entheroisieren, in: Hamburger Abendblatt, 13.08.2020, https://www.abendblatt.de/meinung/article230158774/Wir-muessen-die-Denkmaeler-entheroisieren.html (zuletzt aufgerufen am 10.06.2021).

[3] Vgl. das Interview mit Carsten Brosda: »Brosda: ›Wir brauchen ein Störgefühl‹«, NDR 90,3, 29.06.2020, https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Brosda-Bismarck-Denkmal-braucht-kritische-Betrachtung-,bismarckdenkmal212.html (zuletzt eingesehen am 10.06.2021).

[4] Vgl. etwa: Stefan Trinks: Anti-Anti-Mal, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.07.2020; Streit um Bismarck-Denkmal in Hamburg, 3sat Kuturzeit vom 16.02.2021, https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/streit-um-bismarck-denkmal-in-hamburg-100.html (zuletzt aufgerufen am 10.06.2021).