Von Susann Lewerenz
Die erste Autobiografie eines Schwarzen Deutschen über dessen Leben im Nationalsozialismus war die von Hans J. Massaquoi: 1999 erschienen Massaquois Lebenserinnerungen Destined to Witness in den USA und im gleichen Jahr unter dem Titel »Neger, Neger, Schornsteinfeger!« auf Deutsch.
Sowohl Massaquois Autobiografie als auch ihre Rezeption sind von vielfältigen transnationalen Verflechtungsprozessen geprägt. Einen zentralen Bezugspunkt bildet dabei – neben Nigeria, Liberia und den USA – die Stadt Hamburg: Ein großer Teil des Buchs widmet sich seiner Kindheit, seiner Jugendzeit und seiner frühen Erwachsenenjahre in Hamburg zur Zeit des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges und der frühen Nachkriegszeit. Massaquoi schrieb das Buch allerdings nicht in Hamburg, sondern es entstand – anders als die Autobiografien anderer Afrodeutscher seiner Generation – vor dem Hintergrund seiner politischen und journalistischen Aktivitäten in der afroamerikanischen Community der USA.
Das Buch verknüpft damit zum einen verschiedene Orte und Geschichten der Schwarzen Diaspora rund um den ›Schwarzen Atlantik‹. Zum zweiten eröffnet es einen Zugang zu einer Erinnerung an die Geschichte des Nationalsozialismus, die auch dessen vielfältige Verflechtungen zum Kolonialismus freilegt, und rückt marginalisierte Perspektiven auf die Geschichte Hamburgs in der NS-Zeit in den Fokus.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Massaquois Autobiografie als ein wichtiger ›Erinnerungsort‹ der Schwarzen Community in Deutschland bzw. afrodeutscher Geschichte bezeichnen: als ein zentraler Ausgangs- und Bezugspunkt in der Etablierung einer Schwarzen deutschen Geschichtsschreibung, die nicht zuletzt auf den autobiografischen Erzählungen von Angehörigen der Generation beruht, die die NS-Zeit als Kinder und Jugendliche erlebt hatte und deren Familiengeschichten Verbindungen in die Kolonialzeit bzw. die postkoloniale Weimarer Zeit und, darüber hinaus, zu zentralen Orten der Schwarzen Diaspora rund um den ›Schwarzen Atlantik‹ aufweisen.
Mehr Informationen zur Rolle und Bedeutung von Massaquois Autobiografie finden Sie in „Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung“.
Hier geht es zur Autobiografie Massaquois beim S. Fischer Verlag: https://www.fischerverlage.de/buch/hans-j-massaquoi-neger-neger-schornsteinfeger-9783104002996