von Malina Emmerink
Der Jurist und Politiker Karl Sieveking (1787-1847) war einer der zentralen kolonialpolitischen Akteure Hamburgs vor Beginn des formalen deutschen Überseekolonialismus. Als Syndikus des Rates leitete er ab 1820 die Hamburger Außenpolitik und hatte als gut vernetzter Intellektueller und Kunstförderer großen Einfluss auf das öffentliche Leben in der Hansestadt.
Sieveking imaginierte Hamburg an der Spitze einer ersten deutschen Kolonialunternehmung und wollte, ausgehend von einer ›Deutschen Antipodenkolonie‹ im Südpazifik, ein globales Netz hanseatisch-deutscher Handelsstützpunkte und Siedlungskolonien knüpfen. Seine Kolonialpläne blieben jedoch Utopien, die ihrer Zeit voraus waren, da der Romantiker und Phantast Sieveking zahlreiche politische, strukturelle und finanzielle Hürden übersah.
Das Scheitern der Sieveking’schen Vision offenbarte zudem die Unvereinbarkeit seiner zwei Identitäten, in der sich die politischen Spannungen zwischen den Hansestädten und dem Deutschen Bund exemplarisch spiegelte: Auf der einen Seite war Sieveking ein hanseatischer Patriot, der Hamburg zu Reichtum, Prestige und Selbstbestimmung verhelfen wollte. Auf der anderen Seite versuchte er als deutscher Nationalist immer wieder, eine formale Kooperation mehrerer deutscher Staaten zu initiieren und Hamburg so stärker in übergeordnete Strukturen zu involvieren.
Der Beitrag im Sammelband „Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung“ porträtiert den Kolonialakteur Sieveking und zeichnet seine Spuren im Stadtbild Hamburgs als postkoloniale Erinnerungsorte nach. Dabei werden seine Ideen und Aktivitäten in die Hamburger Handels- und Kolonialgeschichte eingebettet, um einen bisher wenig erforschten Aspekt der Vorgeschichte der Hamburger Beteiligung am deutschen Kolonialismus zu beleuchten.