Es ist alles andere als offensichtlich, was die beiden hier gezeigten Bilder mit dem Thema Sklaverei verbindet: Was können Kupferbarren und ein in der Elbe explodierendes Schiff über Hamburgs Rolle in der Verschleppung von Menschen aus Afrika aussagen?

Kupferbarren aus dem Wittenberger Fund, Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg. Foto: Maik Furmanek/Forschungsstelle 'Hamburgs (post-)koloniales Erbe'
Kupferbarren aus dem Wittenberger Fund, Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg. Foto: Maik Furmanek/Forschungsstelle ‚Hamburgs (post-)koloniales Erbe‘

Um den Anfang bei Kupferbarren und -platten zu machen: Gerade, weil nur mit einigem Hintergrundwissen die Verknüpfung möglich ist, sind sie ein hervorragendes Symbol für Hamburgs frühe Beteiligung an der europäischen Expansion, die ebenfalls in der Regel indirekt oder verdeckt erfolgte. Die heute unter anderem im – zurzeit geschlossenen – Museum für Hamburgische Geschichte und im Archäologischen Museum Hamburg / Stadtmuseum Harburg[1] ausgestellten Barren stammen aus einem bedeutenden Fund in Folge von Baggerarbeiten in der Elbe 1981. Aus dem möglicherweise auf dem hier gezeigten Kupferstich dargestellten, gesunkenen Schiff wurden neben Kupfer auch Instrumente, Plomben aus dem Tuchhandel und Alltagsobjekte geborgen. Viele weitere Gegenstände wie die Stoffe selbst waren durch die Jahrhunderte unter Wasser natürlich verloren gegangen, verlässliche Hintergrundinformationen fehlen teils.

„Die Schiffsexplosion bei Neumühlen am 2. Juli 1622", reproduzierte Druckgrafik nach einem Kupferstich, Historische Museen Hamburg/Museum für Hamburgische Geschichte Inv.-Nr.: EB AB 11168, CC BY-NC-SA-4.0
„Die Schiffsexplosion bei Neumühlen am 2. Juli 1622″, reproduzierte Druckgrafik nach einem Kupferstich, Historische Museen Hamburg/Museum für Hamburgische Geschichte Inv.-Nr.: EB AB 11168, CC BY-NC-SA-4.0

Verschiedene Belege und Indizien erlauben es jedoch, die wahrscheinlichen Handelsrouten des Kupfers zu rekonstruieren. Sie verbinden nicht nur eine Vielzahl europäischer Länder, sondern sogar drei Kontinente. Die Markierungen auf einigen Barren zeigen ihre Herkunft an: Das Kupfer stammte unter anderem aus dem Gebiet des heutigen Banská Bystrica in der Slowakei, zeitgenössisch auf Deutsch als Neusohl bekannt und als Teil Ungarns verwaltet. Die Region war ab dem 16. Jahrhundert ein wichtiges Bergbaugebiet. Besondere Bedeutung erlangte das Gebiet mit dem Verfahren des sogenannten Saigerns, das Kupfererze mit Silberanteilen in die einzelnen Bestandteile trennt und so verwertbar macht.[2]

Ein Teil der geborgenen Barren trägt den Stempel des Augsburger Handelshauses Paler (auch Paller), das ab 1569 die Neusohler Bergwerke und Hütten gepachtet hatte. Die Verbindung nach Augsburg ist kein Zufall, denn die süddeutsche Stadt – weitab von Meeren und wichtigen Häfen – bildete im 16. Jahrhundert einen der zentralen Orte für die deutsche Beteiligung am europäischen Handel und der kolonialen Expansion. Hier saßen die Familienunternehmungen der Fugger und Welser. Beide waren bedeutend als Kreditgeber für die österreichisch-spanischen Habsburger, wodurch sie politische Vergünstigungen und Zugang zu den spanischen Kolonien erhielten. Die Welser bekamen beispielsweise von Karl V. Teile des heutigen Venezuela zum Lehen, was sie auch mit Hilfe versklavter Menschen kolonial erschließen wollten. Die Fugger beteiligten sich an Handelsfahrten nach Indien – und lieferten wichtige europäische Waren für den Handel beiderseits des Atlantiks: Stoffe wie das Leinenmischgewebe Barchent und eben Kupfer.[3]

Barren mit Hüttenstempeln Foto: Dominik Drasdow/Linden-Museum Stuttgart https://sammlung-digital.lindenmuseum.de/de/objekt/barren-metall_12585 CC BY-NC-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de
Barren mit Hüttenstempeln Foto: Dominik Drasdow/Linden-Museum Stuttgart https://sammlung-digital.lindenmuseum.de/de/objekt/barren-metall_12585 CC BY-NC-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de

Die Neusohler Minen wurden um 1500 von dem im Bergbau etablierten Johann Thurzo mit finanziellen Mitteln der Fugger ausgebaut und so zu einem der wichtigsten Förderorte Europas. Die mit der ungarischen Krone verhandelten Privilegien erlaubten der Gesellschaft, einen Großteil des Kupfers frei zu verkaufen, was den Fuggern zu enormem Reichtum verhalf.[4] Die Fernhandelsrouten verliefen über Land und teils auch über die Flüsse der Region sowie Ost- und Nordsee bis ins Habsburgische Antwerpen. Diese wichtige Handelsstadt stellte dann den Kontenpunkt zum spanischen Kolonialhandel dar. Zumindest bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, denn in der zweiten Hälfte verlor Antwerpen durch den Achtzigjährigen Krieg, den langwierigen niederländischen Kampf um die Unabhängigkeit von Spanien, an Bedeutung. Stattdessen bildete Hamburg – das zuvor schon als Umschlagplatz eine Rolle spielte, während die Fugger mit dem Hauptort der Hanse, Lübeck, meist in Konflikt standen – den wichtigsten nordeuropäischen Handelsplatz in diesem Geschäft.[5] Nach dem Rückzug der Fugger aus dem ‚Ungarischen Handel‘ in den 1540er Jahren übernahm 1569 das eingangs erwähnte Augsburger Handelshause Paler, dessen Stempel einige der geborgenen Barren tragen, mit den Kupferbergwerken auch grundsätzlich die Handelsrouten. Kupferbergwerke auf dem Gebiet der heutigen Slowakei verbanden somit Süd- und Norddeutschland, die Iberische Halbinsel und die Westküste Afrikas beziehungsweise die Häfen Asiens. Das Kupfer aus Banská Bystrica lässt sich heute in westafrikanischen Objekten nachweisen, etwa den bedeutenden Benin-Bronzen.[6] Die sogenannten Manillen, Kupfer oder Bronze in Form eines offenen Armreifs gegossen, waren zugleich Grundstoff für die Bronzen und weit verbreitete Währung. An diesem Punkt wird die Verbindung zur Sklaverei deutlich: Für ihre Waren verlangten die europäischen Kaufleute an der Westküste Afrikas neben lokalen Gütern oft Menschen, die dann als Sklaven in die Amerikas verschleppt wurden und dort in Minen und auf Plantagen arbeiten mussten.

Reißkupferscheibe aus dem Wittenberger Fund, Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg. Foto: Maik Furmanek/Forschungsstelle 'Hamburgs (post-)koloniales Erbe'
Reißkupferscheibe aus dem Wittenberger Fund, Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg. Foto: Maik Furmanek/Forschungsstelle ‚Hamburgs (post-)koloniales Erbe‘

Als innereuropäischer Umschlagsplatz für Kupfer und andere Handelsgüter bildete Hamburg somit einen wichtigen Knotenpunkt in der frühen Europäischen Expansion und für den Versklavungshandel, auch wenn die Relevanz der Stadt nicht mit der von kolonialen Metropolen wie Sevilla oder Lissabon gleichgesetzt werden kann. Doch gerade die Verbindungen auf die iberische Halbinsel trugen erheblich zu Hamburgs wirtschaftlichem Aufschwung im 16. und 17. Jahrhundert bei. Teils aus wirtschaftlichen Gründen, teils auf der Flucht vor Krieg und religiöser Verfolgung kamen Kaufleute aus Spanien, Portugal und den Habsburgischen Niederlanden in die Stadt und brachten ihre Erfahrungen und Kontakte mit. Neben dem Export von Metallen und Kupfern stellte auch der Import von Kolonialwaren wie Gewürzen und Zucker einen wachsenden Wirtschaftsfaktor für Hamburg dar.[7]

Um endlich zum Bild des brennenden Schiffs zurückzukommen: der Beschreibung des Kupferstichs zufolge sei das Schiff 1622 bei den ‚Neuen Mühlen‘ (wohl vor dem heutigen Stadtteil Ottensen) in Flammen aufgegangen. Zu viel Pulver und Unachtsamkeit werden als Gründe angeführt, insgesamt 46 Opfer einschließlich des Schiffsbesitzers Peter Jensen beklagt. Das Schiff war den Ladungspapieren zufolge für Cádiz bestimmt und sollte dort offiziell Kupfer, Amidam (Stärke) und Stoffe abliefern. Tatsächlich befanden sich jedoch auch größere Mengen nicht deklariertes Schwarzpulver und Waffen auf dem Schiff. Hintergrund war der Achtzigjährige Krieg, in dem Hamburg die spanische Seite belieferte – was niederländische Schiffe zu unterbinden versuchten, hier aber anscheinend durch ein Unglück verhindert wurde.[8]

Schiffsexplosion bei Neumühlen am 2. Juli 1622", Kupferstich, Historische Museen Hamburg/Museum für Hamburgische Geschichte Inv.-Nr.: E 1894,79 CC BY-NC-SA-4.0
Schiffsexplosion bei Neumühlen am 2. Juli 1622″, Kupferstich, Historische Museen Hamburg/Museum für Hamburgische Geschichte Inv.-Nr.: E 1894,79 CC BY-NC-SA-4.0

Nach Ansicht des Historikers und Archäologen Jörgen Bracker, ehemals Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte, handelt es sich bei der Darstellung auf dem Kupferstich und dem 1981 geborgenen Wrack um ein und dasselbe Schiff. Es sei vor den „Neuen Mühlen“ explodiert und anschließend nach Hamburg-Wittenbergen getrieben, wo es gefunden wurde.[9] Diese Deutung blieb jedoch nicht unwidersprochen, da die Datierungen von Hölzern, Kupfer und Münzen auf die Zeit vor 1600 deutet und Schiffe selten ein so hohes Alter erreicht hätten. Ralf Wiechmann, derzeit als stellvertretender Direktor am Museum mit den Objekten befasst, hält die Schiffe daher für „mit größter Wahrscheinlichkeit nicht identisch.“[10]

Was für den Fund selbst von großer Bedeutung ist, spielt für das Verständnis von Hamburgs Beteiligung am kolonialen Handel eine kleinere Rolle. Unabhängig davon, ob es sich um den gleichen Fall handelt: Der Kupferstich des brennenden Schiffs und besonders der bedeutende Wrackfund aus dem Kupferhandel symbolisieren die Verbindungen der Stadt mit der iberischen Halbinsel und dem Überseehandel, also die Verbindung zu Kolonialismus und Sklaverei – und das schon um 1600.


[1] Ich danke den zuständigen Mitarbeitenden der beiden Museen herzlich für ihre Unterstützung bei meinen Anfragen.

[2] Vlachović, Josef, Die Kupfererzeugung und der Kupferhandel in der Slowakei vom Ende des 15. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, in: Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa 1500 – 1650, hrsg. v. Hermann Kellenbenz, Köln 1977, S. 149–171.

[3] Als Überblick Häberlein, Mark, Aufbruch ins globale Zeitalter. Die Handelswelt der Fugger und Welser, Darmstadt 2016, besonders S. 128–130 zum Versklavungshandel der Welser.

[4] Häberlein, Mark, Die Fugger. Geschichte einer Augsburger Familie 1367–1650, Stuttgart 2006, S. 44–46.

[5] Vlachović, Kupfererzeugung, S. 164; Pölnitz, Götz Frhr von, Fugger und Hanse. Ein hundertjähriges Ringen um Ostsee u. Nordsee, Tübingen 1953, S. 36.

[6] Skowronek, Tobias B. u.a., German brass for Benin Bronzes: Geochemical analysis insights into the early Atlantic trade, in: PloS one 18 (2023), https://doi.org/10.1371/journal.pone.0283415.

[7] Poettering, Jorun, Handel, Nation und Religion. Kaufleute zwischen Hamburg und Portugal im 17. Jahrhundert, Göttingen 2013, S. 24f.

[8] Bracker, Jörgen, Peter Jansen, der Waffenschmuggler von der Elbe, in: Gottes Freund – aller Welt Feind. Von Seeraub und Konvoifahrt. Störtebeker und die Folgen, hrsg. v. Jörgen Bracker, Hamburg 2001, S. 98–115.

[9] Bracker, Jörgen, Ein Wrackfund aus der Elbe bei Wittenbergen, in: See- und Flußhäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, hrsg. v. Heinz Stoob, Köln 1986, S. 229–260.

[10] Wiechmann, Ralf, Auf dem Weg nach Westafrika. Kupferbarren, Musketen und Kanonen aus dem Schiffsfund von Wittenbergen, in: Benin. Geraubte Geschichte, hrsg. v. Barbara Plankensteiner, Hamburg 2022, S. 82–97, hier S. 92.