Von Christian Jarling
Provenienzforschung ist en vogue! Im Rahmen der NS-Raub- und Beutekunst-Debatten hat sie sich bereits etabliert und institutionalisiert. Seit kurzem scheint sie aber auch die neue Antwort der, gerade aus postkolonialer Sicht, vielkritisierten ethnologischen Museen auf den Umgang mit dem eigenen kolonialen Erbe zu sein. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Museums-Kurator*innen schon seit Jahrzehnten an Provenienzen einzelner Sammlungen arbeiten. Die Präsenz und öffentliche Wirkung vieler neuer Projekte verdeutlicht jedoch, dass das Offenlegen der Herkunftsgeschichten zahlreicher kolonialer Sammlungen sowie die reflektierte Betrachtung der eigenen Institutionengeschichte unerlässliche Bausteine sind, um sich der eigenen Vergangenheit zu stellen und sich neu zu positionieren.
Die AG Museum der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde und das Museum Fünf Kontinente in München veranstalteten Anfang April eine durch die Volkswagenstiftung geförderte, breit angelegte Tagung, in der die Provenienzforschung zu Sammlungen aus der Kolonialzeit im Mittelpunkt stand. An zwei Tagen wurden verschiedene Blickwinkel auf das Thema aufgezeigt. Am ersten Tag standen die Außenperspektiven im Mittelpunkt. Am zweiten Tag wurden diese durch aktuelle (Kooperations-)Projekte und gesammelte Erfahrungen im Kontext kolonialer Provenienzforschung aus der Innenperspektive der Museen ergänzt. Jedes Panel wurde hierbei von bestimmten Leitfragen getragen und sollte durch kurze Präsentationen und daran anschließende Diskussionen vertieft werden.
Eröffnet wurde die Tagung durch Willkommensreden des stellvertretenden Direktors des Museums Fünf Kontinente Bruno von Richtsfeld und Adelheid Wessler von der Volkswagenstiftung. Larissa Förster, Iris Edenheiser und Sarah Fründt von der AG Museum betonten die Aktualität der Debatten im Rahmen der Provenienzforschung gerade im Hinblick auf die Kolonialzeit: Konzepte wie Verflechtungsgeschichte oder hybride Räume und Dinge sowie eine kritische Institutionengeschichte und ein Fokus auf die Handlungsmacht (agency) lokaler Akteure ermöglichen so eine differenzierte Diskussion der Erwerbszusammenhänge jenseits vereinfachter Gegenüberstellungen von legitimem vs. illegitimem Besitz oder Raub vs. Ankauf.
Tag 1: Die Außenperspektiven auf kolonialzeitliche Provenienzforschung
Im ersten Panel verdeutlichten Expert*innen und Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften deren Perspektive auf die Sammlungen, die im Zuge der Eroberung, Unterwerfung und Kolonisierung zusammengetragen wurden und heute vor allem in europäischen und US-amerikanischen Museen lagern. Dabei standen methodische Ansätze der Provenienzforschung, deren Offenlegung und Weiterverarbeitung sowie die Möglichkeiten und Hindernisse für effiziente und transparente Kooperationen im Mittelpunkt.
Im ersten Beitrag berichtete Amber Kiri Aranui (Te Papa Tongarewa Museum) über ihre langjährigen Erfahrungen der Provenienzforschung zu menschlichen Überresten in Neuseeland. Seit 2003 bündelt das staatlich finanzierte Karanga Aotearoa Repatriation Programme alle Rückforderungsansprüche der Maori und Moriori an Museen und andere Institutionen in Europa und den USA. Gerade die langfristige Zusammenarbeit zwischen dem Te Papa Tongarewa Museum und Mitgliedern lokaler Gemeinschaften ermöglichte hierbei den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und bot Zugang zu lokalem Wissen. Für erfolgreiche Repatriierungen sei es darüber hinaus ebenso wichtig, Zugang zu den Informationen in den „westlichen“ Institutionen zu bekommen. Denn häufig böten Berichte über Ausgrabungsstätten oder Verhandlungsorte der „Sammler“ die Möglichkeit, bestimmte lokale Gemeinschaften genauer zu identifizieren und so die exakte Zuordnung und Rückführung der Ahnen zu ermöglichen.
Im Anschluss stellte Jeremy Silvester (Museums Association of Namibia) die deutlich weniger institutionalisierte Initiative The Africa Accessioned Project vor. Ziel des Projektes ist es, Sammlungen aus dem südlichen Afrika (Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe) aufzulisten und zu lokalisieren. Diese sollen als Basis eines Dialogs dienen oder Kooperationsprojekte zwischen lokalen Gemeinschaften und den Institutionen, die heute im Besitz der Sammlungen sind, etablieren. Zielländer der Kooperation sind Finnland, Deutschland, Großbritannien und Schweden. Erste engere Zusammenarbeit gab es bereits mit finnischen Museen. Dabei sei es wichtig die Sammlungen als Speicher von Wissen anzusehen, die auch lokalen Gemeinschaften helfen können ihre eigene materielle Kultur und Geschichte zu revitalisieren.
Die drei folgenden Redner*innen Eeva-Kristiina Harlin (University of Oulo, Finland), Trevor Isaac (U’mista Cultural Centre, Canada) und Paul Turnbull (University of Tasmania, Australia) stellten die Bedeutung von Datenbanken im Kontext der Provenienzforschung in den Mittelpunkt ihrer Präsentationen. Harlin betonte, das sich heute etwa ein Drittel des gesammelten materiellen Erbes der Sami im Besitz von Museen in Finnland und Schweden befinden, die eng mit den Sami zusammenarbeiten. Jedoch zwei Drittel – etwa 50.000 Objekte – lagern noch immer in überwiegend europäischen Museen. Von der Erfassung der Sammlungen in die Datenbank sollen einerseits die Sami profitieren, indem sie wissen welche Objekte wo lagern. Andererseits soll den Institutionen ebenfalls verdeutlicht werden, welche Relevanz und Bedeutung einzelne Objekte für bestimmte Sami-Gruppen haben.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Return, Reconcile, Renew Project aus Australien. Im Zentrum des Interesses stehen hier zwar vor allem menschliche Überreste, aber hinsichtlich des Nutzens der erfassten Daten wurde die Möglichkeit des Verortens und Verbindens einzelner Informationen in den Vordergrund gestellt. Turnbull betonte hier vor allem die zukünftige Bedeutung der Datenbank für westliche Museen, für die die Provenienzforschung – gerade bei sensiblen Sammlungen – immer mehr in den Mittelpunkt rückt. Das Reciprocal Research Network des Museum of Anthropology in Vancouver fokussiert hingegen stärker auf Einzelobjekte. Nutzer*innen der Datenbank können hier zu bestimmten Objekten Diskussionen erstellen und weiterführende Informationen einfügen oder abrufen. Isaac verwies auf den leichten Zugang zu Wissen für Mitglieder der Nordwestküsten-Gesellschaften und Museumsmitarbeiter*innen in gleichem Maße.
In der sich anschließenden Diskussion stellte sich vor allem die Frage, wie man langfristige Kooperationen zwischen „westlichen“ Institutionen und Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften etablieren kann. Immer wieder wird in Einzelprojekten die Zusammenarbeit gefördert, jedoch ergibt sich nur selten eine langfristige Zusammenarbeit. Die zunehmende Digitalisierung kann den Zugang zu Informationen deutlich vereinfachen. Die Erfassung und vor allem die Offenlegung von Daten bietet so die Möglichkeit, sich auch aus der Ferne über die Sammlungen in Europa zu informieren.
Im zweiten Panel berichteten Johanna Poltermann (Bayerische Staatsgemäldesammlung), Gilbert Lupfer (Staatliche Kunstsammlung Dresden) und Claudia Andratschke (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover) über ihre Erfahrungen aus der Provenienzforschung der NS-Zeit. Hier wurde deutlich, dass die lange fehlende universitäre Grundlagenforschung eine Vernetzung der Forscher*innen erforderte. Ein regelmäßiger Austausch ermöglichte es so, über die Jahre ein Netzwerk und erste Datenbanken aufzubauen. Ein weiteres Problem stellte sich durch die unübersichtliche Stellensituation: Provenienzforscher*innen hatten nur Zeitverträge und bis heute gibt es nur sehr wenige fest etablierte Stellen an Einzelinstitutionen und Verbänden. Erst mit der Etablierung der Arbeitsstelle für Provenienzforschung (2008) und der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste des Bundes und der Länder in Magdeburg (2015) war eine Institutionalisierung gegeben und auch eine jährliche Fördersumme zur Finanzierung von Projekten eingerichtet.
Tag 2: Die Innenperspektive der ethnologischen Museen
Das dritte Panel „Laufende Projekte: Erfahrungen, Desiderate, Möglichkeiten“ wurde mit einem Rückblick auf die Erfahrungen der vergangen Jahrzehnte eröffnet. Christian Feest (Frankfurt am Main) betonte, dass die Provenienzforschung schon lange vor dem aktuellen Interesse eine der essentiellen Aufgaben von Museumsmitarbeiter*innen war. Auch wenn diese Aufgabe nicht immer mit dem erforderlichen Ausmaß betrieben wurde, haben einzelne Kurator*innen sich dennoch eingehend mit den Provenienzen bestimmter Sammlungen beschäftigt. Selten jedoch kam es zu systematischen Untersuchungen, die heute im Vordergrund stehen. Feest betonte darüber hinaus die Historizität der Objekte. So gäbe es Beispiele in denen in source communities heute nur noch begrenztes Wissen über bestimmte Objekte besitzen. Hier können Objekte und v. a. genaue Daten aus den Museen helfen, dieses zu revitalisieren.
Im Anschluss berichteten Christine Schlott (Leipzig), Paola Ivanov (Ethnologisches Museum Berlin/Humboldt-Forum), Gesa Grimme (Linden-Museum Stuttgart) und Christian Jarling (Universität Hamburg) über ihre Erfahrungen aus kürzlich abgeschlossenen oder laufenden Forschungsprojekten. Das zwischen 2014 und 2015 von der staatlichen Kunstsammlung Dresden finanzierte Projekt zur Provenienz der anthropologischen Sammlung des Museums für Völkerkunde Dresden ermöglichte Schlott, zumindest grundlegende Informationen zu Sammlerbiografien sowie Erwerbsorten und –wegen zu rekonstruieren. Für eine weiterführende Forschung bedarf es aber neue Forschungsgelder, um auch Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften zu befragen und in Archiven vor Ort zu recherchieren.
Die lange Dauer und den allgemeinen Rechercheaufwand für einzelne Objekte aus Museumssammlungen verdeutlichte ebenfalls der Vortrag von Ivanov. So vergingen mehrere Monate, um verschiedene Informationen für ein einzelnes Objekt zusammenzutragen. Das Ethnologische Museum Berlin arbeitet zurzeit an Provenienzen ausgewählter Bestände der Tansaniasammlung, die im Rahmen des Maji-Maji-Krieges in die Sammlung kamen. Entscheidend war hierbei die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen aus Tansania. Vor allem eine langfristige Zusammenarbeit – auch außerhalb von Projekten – sei unabdingbare Voraussetzung, um die ethnologische Provenienzforschung zu etablieren. Das Provenienzforschungsprojekt „Schwieriges Erbe“ im Linden-Museum erfasst zunächst die kolonialzeitlichen Bestände und möchte sich vornehmlich auf die Personen fokussieren, die während der deutschen Kolonialzeit Objekte und Konvolute an das Museum abgegeben haben. So erstellte Sammlerprofile sollen dabei helfen, Bestandsstrukturen aufzudecken und in einem nächsten Schritt einer konkreten Provenienzforschung zu unterziehen. Zusammen mit der Universität Tübingen möchte das Museum so ein langfristiges Forschungsprojekt etablieren. Im von der Volkswagenstiftung finanzierten Kooperationsprojekt der Universität Hamburg und des Übersee-Museums Bremen untersuchen drei Doktorand*innen die Provenienzen der Objekte aus den ehemaligen deutschen Kolonien Kamerun, Deutsch-Südwestafrikas (Namibia) und Deutsch-Ostafrikas (Tansania, Ruanda, Burundi). Im jetzigen frühen Projektstadium werden zunächst Sammler*innen- und Objektinformationen innerhalb des Museums zusammengetragen, um anschließend während längerer Forschungsaufenthalte in den jeweiligen Regionen vor allem auch die Handlungsspielräume der Afrikaner*innen aufzudecken, die im Erwerbskontext mitwirkten.
Das vierte Panel sollte Konsequenzen und Probleme diskutieren, die nach abgeschlossenen Provenienzforschungsprojekten oder im Museumsalltag auftreten. Eva Raabe (Weltkulturen Museum Frankfurt am Main) machte hier darauf aufmerksam, dass es auch wenn auf formell-rechtlicher Grundlage eine Sammlung nicht als „Raubgut“ identifiziert wurde, zu Wertekonflikten zwischen Museen und Herkunftsgesellschaften kommen kann. In dem skizzierten Beispiel handelt es sich um Ritualgegenstände der Aranda in Zentral-Australien, die teils starken Restriktionen unterworfen sind. Ob und wie diese Objekte präsentiert, behandelt und aufbewahrt werden müssen, erfordert auch unabhängig von eventuellen Rückgabeforderungen eine Rücksprache mit Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaft.
Eine weitere Dimension wurde durch Stefan Eisenhofer (Museum Fünf Kontinente München) offengelegt. Anhand der Rückgabeforderung eines Schiffsschnabels (Tangue) aus Kamerun wurde deutlich, dass es auch innerhalb der Herkunftsgesellschaften zu Konkurrenzsituationen und abweichenden Ansichten kommen kann. Während der seit dem 15. Lebensjahr in Deutschland lebende Prince Kum’a Ndumbe III sich als rechtmäßiger Nachfolger einer Untergruppe der Duala sieht und sich für die Anerkennung als Herrschaftssymbol und Rückgabe des einst geraubten Schiffsschnabels engagiert, fordert der in Kamerun legitimierte Nachfolger Paul Mbape dies nicht vom Münchner Museum. Auch der kamerunische Staat beteiligt sich an keiner Rückgabeforderung. An diesem Beispiel wurde deutlich, das auch Ansichten der Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften kein homogenes Ganzes sind, sondern auch hier Vielstimmigkeit und konkurrierende Interpretationen vorliegen. Tina Brüderlin (Museum Natur und Mensch, Freiburg) berichtete über Erfahrungen mit dem 1990 in Kraft getretenen Native American Graves Protection and Repatriation Act (NAGPRA) in den USA. Deutlich wurden hier Widersprüche zwischen den formal-juristischen Abkommen und der musealen Verwahrungspraxis. So wurde an einem Museum beispielsweise ein neuer feuersicherer Raum eingerichtet, um die Ritualpraxis der indigenen Bevölkerung zu gewährleisten. Eine auf den ersten Blick innerhalb eines Museums ungewöhnliche Maßnahme eröffnete aber in einigen Fällen neue Partnerschaften.
Zum Abschluss stellte Barbara Plankeinsteiner (Museum für Völkerkunde Hamburg) den von der National Commission for Museums and Monuments Nigeria und dem Weltmuseum Wien etablierten Benin-Dialog vor. Seit 2010 treffen sich hier Vertreter*innen des Königshauses Benin mit mehreren europäischen Museen, die über große Sammlungen der höfischen Kunst Benins verfügen, um Möglichkeiten des Zugangs zu den weit verteilten Sammlungen zu diskutieren.
Einer der immer wieder angesprochenen Diskussionspunkte betraf die Rückgabe von kolonialzeitlichen Sammlungen an die Herkunftsgesellschaften. Die Teilnehmer*innen des Panels verwiesen hierbei vor allem darauf, dass Rückgabeforderungen, mit Ausnahme von menschlichen Überresten, in der Praxis relativ selten vorkommen. Wayne Modest (Leiden) betonte, dass die Fokussierung auf Rückgaben die derzeitigen Diskussionen lähmen können. Vielmehr solle zunächst die Aufarbeitung und Offenlegung der Sammlungs- und Institutionengeschichte erfolgen, um in einem späteren Schritt über konkrete Maßnahmen – wovon Rückgaben nur eine Möglichkeit wären – zu beraten.
Das abschließende Panel schlug die Verbindung zwischen Provenienzforschung und deren Auswirkungen auf den Ausstellungsbetrieb. Hilke Thode-Arora berichtete über die Ausstellung „From Samoa with Love?“, die 2014 im Münchner Museum Fünf Kontinente gezeigt wurde. Grundlage dieser Ausstellung war ein Forschungsprojekt zu Samoa-Objekten, die zwischen 1895 und 1911 im Umfeld von Völkerschauen in das Museum gelangten. Vor allem zeitgenössische samoanische Zeugnisse und Interviews mit den Nachfahren der Völkerschauteilnehmer*innen ergaben neue Perspektiven, die in europäischen Quellen fehlten. So waren samoanische Völkerschauteilnehmer*innen keineswegs nur passive Opfer der Betreiber und des voyeuristischen Publikums. Die meist aus ranghohen Familien stammenden Menschen mehrten durch die teils sehr langen Reisen ihr eigenes Ansehen als weitgereiste Samoaner*innen. Diese Doppelperspektive fand auch in der Ausstellung Widerhall. So wurden Völkerschauen nicht nur aus europäischer, sondern auch aus samoanischer Perspektive dargestellt.
Einen anderen Weg ging das Landesmuseum Hannover. Hier bildete die Ausstellung „Heikles Erbe. Koloniale Spuren bis in die Gegenwart“ den Ausgang für die darauffolgende Provenienzforschung. Alexis von Poser verdeutlichte, dass so schon im Rahmen der Ausstellung Fragen und Grenzen der Provenienzforschung im Ausstellungsformat einbezogen wurden. Mittels verschiedener Informationsebenen konnten sich Besucher*innen in Sammlerbiografien, afrikanischen Widerstand, aber auch postkoloniale Perspektiven einarbeiten.
Margareta von Oswald (Humboldt-Universität zu Berlin) stellte die von März bis Oktober 2015 im Humboldt Lab Dahlem gelaufene Ausstellung „Objektbiografien“ vor. Hier wurden anhand von drei kolonialzeitlichen Objekten gezielt die institutionellen Praktiken und Netzwerke des ethnologischen Museums Berlin hinterfragt. Um so zu verdeutlichen, wie Provenienzforschung nicht nur die Geschichte von Objekten, sondern gerade auch die Institutionengeschichte und deren Teilhabe am „kolonialen Projekt“ aufdecken kann. Heike Hartmann, Co-Kuratorin der Ausstellung „Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart“ am Deutschen Historischen Museum in Berlin, verwies auf die stets vorhandenen Interpretationsspielräume von Ausstellungsmacher*innen. So erzählen Objekte nicht per se eine immer gleiche Geschichte, sondern werden immer wieder anders angeordnet und thematisiert. Nicht nur europäische und außereuropäische Perspektiven können sich also unterscheiden. In der Ausstellung wurde deshalb versucht Objekte als Zeugnisse kolonialer Begegnungen und Ereignisse zu begreifen.
Zum Abschluss stellte Susanne Wernsing (freie Kuratorin, Wien) anhand der sich noch in der Planung befindliche Ausstellung zum Thema „Rasse/Rassismus“ am Deutschen Hygiene-Museum Dresden Fragen nach den Auswirkungen von reproduzierten Machtverhältnissen und Bildgewalt mittels der Dokumentation kolonialer Gewaltkontexte in Ausstellungen. Kurator*innen stünden nach wie vor in einem Dilemma der ‚Affirmation durch Wiederholung‘. Das Offenlegen von Provenienzen, auch innerhalb thematisch völlig abweichender Ausstellungen, kann hier helfen diesem Dilemma entgegenzuwirken.
Fazit
Die internationale, fächerübergreifende Zusammensetzung der Tagung bereicherte viele Diskussionen. Die Fragen nach Rückgaben standen häufig im Fokus, jedoch betonten gerade auch die Teilnehmer*innen aus den Herkunftsgesellschaften, dass zunächst die Aufarbeitung und Offenlegung des in Museen vorhandenen Materials und Wissens im Vordergrund stehen sollte und Rückgaben in der Folge nur ein Weg seien, um auf mögliche koloniale Unrechtskontexte zu reagieren. Vor allem die Zusammenarbeit mit den source communities sollte gestärkt werden, um so auch neue Modalitäten einer Zusammenarbeit zu schaffen. Dies müsste auch ein genereller Anspruch sein und sich nicht nur auf inhaltlich und zeitlich beschränkte Projekte begrenzen. Ergebnisse von Provenienzforschungen sollten darüber hinaus auch im laufenden Ausstellungsbetrieb viel präsenter gemacht werden, um so vielschichtige Perspektiven auf Sammlungen und Objekte zu ermöglichen.