Von Silke Berens –Zum Beitrag in der englischen Version
Das Ende:
Nur ein bisschen länger wünschte ich. Aber die Zeit rannte uns davon mit unserem Kummer, nur den Sound von Fingerschnippen zurücklassend. Lebhafte Zeichnungen und alte Fotografien auf den Boden um uns herum verstreut wie Fragmente einer seltsamen und vollständigen Verwüstung. Sanfter Wintersonnenschein zeichnete den Weg durch die Türen des Untergeschosses.
Der Beginn:
Erfüllt mit Sehnsucht, Träumen und enormen Abständen verlassen Frauen mit langen Röcken die schwankenden Boote und laufen über dichten Sand zu fremden Ehemännern. Blinde Gier und Arroganz erzeugen nur eine verderbliche eheliche Verbindung für dieses Gelobte Land … meine Urgroßmutter, meine Großmutter und meine Mutter wurden auf diese Wellen endlos zu fremden Küsten getrieben. Eine Abfolge von traurigen Ehefrauen und Müttern, die ihre Kinder allein spielen lassen in abgezäunten Höfen, während der singende Gärtner sanft fegt.
Tiefer Atem, ausstoßen. Wir halten uns an den Händen in einem Kreis und sammeln für einen Koffer mit Überlebensmitteln, um den Strom des sowohl subtilen als auch deutlichen Schmerzes zu ertragen, der manchmal droht uns hinwegzufegen. Glänzende Augen, glänzende Ideen, Herzen voll guten Muts. Danke für die Anwesenheit der Ahnen, wahrgenommen in den Winden und Umgebungsgeräuschen, die dort eindringen in die Stille. Alle sind still in den Unterbrechungen zwischen einzelnen Momenten, während wir diese Stimmen hören und ihre Botschaften sich entfalten lassen. Und das Entfalten ist eine geschichtete, flackernde Reise von Geschichten, von Liedern, von Farben. Von Tränen und Kummer und halten, halten und an den Händen haltend im Kreis, so dass das Klopfen sich beruhigen mag und die Erinnerungen durchgeatmet werden können.
Die Mitte:
Atme ein, löse diese festen Erinnerungsglieder. Lasst uns alle zusammen bewegen, geleitet von jedem, der an der Reihe ist. Ein Zug pfeift, eine gebrochene Stimme spricht von Transzendenz und webt ein Gedicht zu einem Lied, nahtlos. Geschichten, sowohl erinnerte als auch vorgestellte, werden ausgetauscht, bezeugt, umgewandelt in Glanz, Lehm, Federn, Knöpfen, Spitzen, zerknittertes weiches Papier und ein verlorenes Mädchen am Kamin wird sich eines Gemetzels bewusst.
Atme aus, sage ich ihr noch einmal als ihre leuchtenden Augen weiter so furchtbar diese glühende und verheerende Vergangenheit sehen und fühlen. Dann bewegten sich die Mädchen und die Frauen unter uns. Stark und mutig vorwärtskämpfend durch den Treibsand, nie in Geschichten erwähnt außer in Mama Penees Geschichte, wo zwei Frauen gegnerischer Seiten sich treffen: eine anfängliche Verletzung verwandelt sich in so etwas wie eine Freundschaft. Immer noch die furchtbaren Sünden unserer Mütter und Väter wie eine Narbe auf ihrem Körper. Brennende Nesseln mit stummem Stolz ertragend – Mama, wie viel kann eine Frau allein aushalten? Die Geschichte zeigt, dass das unermesslich ist, wie die Banalität des Bösen und die Irreführung durch die Staaten.
Die Landschaft verschluckt ihre Körper, eine Szenerie voller Leiden. Hängt eure weitkrempigen Hüte an den Nagel, streckt Eure Handflächen zum Himmel, wo Vergebung vielleicht in einem Koffer zu finden ist. Heilung muss geschaffen werden.
Eine Unterbrechung:
Wir strecken uns, springen und lachen in einem Wirbel von Körpern, genau hier und gerade jetzt. Verbunden in fröhlicher Bewegung, zurück auf den Boden, wo Sicherheit wohnt. Nackte Füße tragen uns zu dem Ort, wo wir uns treffen jenseits einer Mitte und wir treten ein tief in das Territorium des Anderen mit Gesten großer Ehrerbietung.
Ich verbeuge mich vor euch, höflich, behutsam.
Der Gipfel:
Cremefarbene Leinwand wie ein Banner, ein Leichentuch, ein Schrei – blutrote und schwarze Buchstaben biegen sich um Ortsnamen, Fakten und Epochen. Wie erinnern wir? Wer erzählt diese Geschichten und malt sie liebevoll auf Blätter und singt sie eilig unter achtsamen Blicken und schreibt und bewegt sich und tanzt bis es gut ist? Ich sage euch Großmütter, wir taten es. Und etwas rückt ein klein wenig näher an die Wahrheit, weil Sprechen in jedweder Weise das fundamentalste menschliche Wesen ausmacht.
Mehr von Silke Berens in der From Where Do We Speak?-Onlineausstellung
Silke Berens‘ malerische Praxis begleitet seit jeher ihre Passion für somatische Ansätze von Genesung und Heilung. Sie beschäftigt sich zurzeit mit einer Reihe von Arbeiten aus dem Themenfeld Coloniality aus einer persönlichen und intergenerationellen Perspektive. Sie gibt seit 20 Jahren Kurse und Workshops in expressiver und bildender Kunst, nebst regelmäßig veranstaltete künstlerische Gruppen- und Einzelausstellungen.