Die wichtigsten Debatten der letzten Monate um Deutschlands koloniales Erbe thematisierte Prof. Dr. Jürgen Zimmerer in einem ausführlichen Interview in ‚Koschwitz zum Wochenende‘, als Radiosendung und Online-Podcast verfügbar. Eine Analyse der Auseinandersetzungen um Winnetou zeige beispielsweise, so Zimmerer, dass es sich bei dem vermeintlichen Verbot um einen inszenierten Skandal gehandelt habe. Nichtsdestotrotz sei das in den Büchern Karl Mays transportierte Weltbild kritisch zu betrachten: Es transportiere eine kolonial geprägte europäische Überlegenheitskonstruktion – ähnlich wie übrigens die Figur James Bond, deren Erfolg auch auf britischer Empire-Nostalgie beruht hätte.
Der zweite Schwerpunkt des Gesprächs nimmt den deutschen Kolonialismus direkt zum Thema, mit Bismarcks Rolle auf der Afrika-Konferenz und in der heutigen Erinnerung, mit einem Exkurs zu Raphael Lemkins Genozidforschung und anschließend einem längeren Abschnitt zu Geschichte und gegenwärtigem Umgang mit dem deutschen Völkermord im heutigen Namibia. Die Frage der Anerkennung des Genozids sei wieder unverkennbar auf der Tagesordnung aufgrund der Proteste gegen die geplante Vereinbarung in Namibia und deutsche Wirtschaftsinteressen. Zimmerer kritisiert, die Verhandler seien „in Gutsherren- oder Kolonialherren-Manier in Namibia aufgetreten“ – der Entwurf gehe „nicht auf die Kritik der Herero und Nama ein“; nur „symbolische Aktionen“ fänden statt. Dies sieht er als symptomatisch für die großen „Beharrungskräfte“ in der deutschen Gesellschaft in einer Situation, die Reformbereitschaft erfordere – nicht nur mit Blick auf die globale soziale Gerechtigkeit, sondern auch den Klimawandel.
Zum Interview:
Downloadlinks:
https://koschwitz-zum-wochenende.podigee.io/
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