Von Caroline Herfert
Sonntagvormittag im Mittelrangfoyer des Thalia Theaters: Auf dem Programm steht die Inszenierung des Hamburger Hafens. Allerdings nicht auf der Bühne, sondern im Museum. Im Rahmen von „Theater der Welt“ präsentierten Börries von Notz, Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, und Ursula Richenberger, Leiterin des Hafenmuseums Hamburg, die Leitideen des geplanten Deutschen Hafenmuseums.
Flankiert von einem Modell des Viermasters „Peking“ zur Linken und einer Sackkarre mit einem Sack Kaffee beladen zur Rechten, rekapitulierte von Notz zunächst was bisher geschah: Im Oktober 2015 wurde die Neugründung des hiesigen Hafenmuseums als Deutsches Hafenmuseum beschlossen. Der Bund stellt dafür 120 Millionen Euro (inkl. 26 Millionen für die Restaurierung und Rückführung des Viermasters „Peking“ nach Hamburg) zur Verfügung; die Freie und Hansestadt Hamburg wird die Betriebskosten für das neue Museum übernehmen. Die Standortfrage ist nach wie vor offen, der politische Prozess der Standortfindung läuft. Von Notz wiederholte Bekanntes: Nachdem sich in den letzten Monaten heftige Kritik regte angesichts der Überlegung, das neue Museum an einen neuen Standort zu verlegen, bekräftigte er am Sonntag: Favorisiert werde der bestehende Standort des Hamburger Hafenmuseums, d.h. der Kaischuppen 50A auf dem Kleinen Grasbrook. Für das repräsentative Deutsche Hafenmuseum soll der historische 50er-Schuppen durch einen Neubau erweitert werden.
Im Mittelpunkt der Präsentation stand die Vision des Deutschen Hafenmuseums, die in den kommenden Jahren noch einer gründlichen Ausarbeitung bedarf: Der (Hamburger) Hafen solle als Erklärungsmodell globaler und soziokultureller Interdependenzen herangezogen und entsprechend in Szene gesetzt werden. Das Museum will dabei zugleich Schau-Platz, 24/7-Erlebniszentrum mit Aussichtsplattform und ein Begegnungsort sein, an dem Geschichte/n von Hafenarbeit, Technikgeschichte, Logistik etc. anhand von Objekten erzählt wird. Das Deutsche Hafenmuseum verstehe sich zwar als historisches Museum, will aber historische Entwicklungen ausgehend von der Gegenwart, von der Digitalisierung und der technischen Revolution des Containerbetriebs aus, erklären. Die Einführung der Container sei nämlich der eigentliche Motor der Globalisierung, der es auch Rechnung zu tragen gelte, so von Notz.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stehen fünf große Themenkomplexe fest, die im geplanten Museum in Szene gesetzt werden sollen:
- Deutsche See- und Binnenhäfen
- Hafen und Wirtschaft
- Mythos Hafen
- Technik und Arbeit
- Hafen und Schiffbau
Die Gewichtung und weitere Ausdifferenzierung dieser Themenfelder wird erst noch erarbeitet, erklärte von Notz. Zunächst müsse die Standortfrage geklärt werden, bevor ein Team aufgebaut und Projektgruppen eingerichtet werden können, die schließlich ein inhaltliches Feinkonzept erstellen. Eines ist allerdings jetzt schon klar für von Notz: Die (historische) Darstellung von Warenhandel und Handelsbeziehungen wird eine zentrale Rolle spielen. Ob im Deutschen Hafenmuseum unter dem Schlagwort ‚globalisierter Handel‘ auch der Globalisierung im 19. Jahrhundert und ihren kolonialen Kontexten Rechnung getragen wird? Von Notz hüllte sich dahingehend in beredtes Schweigen.
Die bislang wenig konkreten Pläne und die nach wie vor unklare inhaltliche Ausrichtung des Museums bieten Anlass für Diskussionen und Kritik, wird doch bereits im bestehenden Hafenmuseum, im Altonaer Museum, im Historischen Museum und im Maritimen Museum Hafengeschichte behandelt. Was wird neu und anders sein, mag man sich fragen. Es gehe im Deutschen Hafenmuseum keineswegs nur um das maritime Erbe der Stadt, ließ von Notz durchblicken, im Versuch das Alleinstellungsmerkmal des geplanten Museums zu definieren. Er sehe die Qualität des geplanten Museums in der Vielseitigkeit an Geschichte/n, die man anhand des Hafens erzählen kann. Gleichzeitig räumte er ein, dass man nicht alles abdecken könne. Das Deutsche Hafenmuseum verstünde sich vielmehr als ‚Leuchtturm‘ und ‚Appetitanreger‘, der die Besucher*innen auf weitere Museen in der Stadt verweist, die andere Aspekte von Hafen-, Stadt- oder maritimer Geschichte näherbringen.
Im Februar hatte Maximilian Probst in der ZEIT einen Kurswechsel in der Planung des neuen Museums gefordert. Er regte an, dass das Hafenmuseum die Geschichte der Globalisierung anschaulich machen sollte, zu der unweigerlich auch die Beschäftigung mit Kolonialismus gehört: „Wie und wann sich friedlicher Handel mit Gewalt verbindet, welche Opfer die Globalisierung mit sich bringt, vom Sklavenhandel bis zu den südchinesischen Arbeitern in Peru, die unter unmenschlichen Bedingungen das als Düngemittel in Europa gefragte Guano abbauten: All das ließe sich stringent darstellen.“[1] Der Input hat Hand und Fuss. Angesichts des am Sonntag hervorgestrichenen Stellenwerts, der dem globalisierte Handel im geplanten Museum zukommen soll, liegt es nicht nur nahe, sondern es ist sogar unausweichlich, Kolonialismus und Imperialismus zum Thema zu machen.
Welche Rolle das koloniale Erbe Hamburgs und Deutschlands im künftigen Museum spielen wird, ist allerdings noch nicht definiert. Als Requisit für die Präsentation diente zwar ein Sack Kaffee und eine Sackkarre zur Veranschaulichung von Hafenarbeit. In von Notz’ Ausführungen zur deutlich angestrebten Fokussierung des Museums auf den globalisierten Warenhandel kamen der Handel mit der kolonialen Welt, ungleiche Handelsbeziehungen oder deutsche Kolonialgeschichte allerdings nie zur Sprache. In der anschließenden Diskussion versicherte Richenberger hingegen, dass Kolonialismus, ehemals deutsche ‚Schutzgebiete‘ sowie der Abbau, Transport und Handel von Salpeter auf jeden Fall ein Thema sein werden. Welche geographischen Regionen und welche Entwicklungslinien in die ‚Inszenierung‘ des geplanten Museums aufgenommen und somit sichtbar gemacht werden, müsse allerdings erst noch entschieden werden.
Bis das Deutsche Hafenmuseum konkrete Gestalt annimmt, wird noch viel Wasser die Elbe hinunterfließen. Bei optimistischer Planung prognostiziert von Notz die Eröffnung frühestens für 2023, wahrscheinlicher sei 2024 oder gar 2025. Bis auf Weiteres beschränkt sich die Inszenierung des Hafens auf die Bespielung der Elbphilharmonie im Rahmen von „Theater der Welt“. Als Kooperationspartner des Festivals richtete die Stiftung Historische Museen Hamburg eine Installation mit dem klingenden Namen „Die Welt spielt Hafen“ ein. Neues war bei dieser Präsentation wenig zu erfahren. Aber wie erklärte Börries von Notz treffend zu Beginn: Die Inszenierung zählt!
[1] Maximilian Probst: Kurswechsel bitte! In: Die Zeit, Nr. 6 (2017). http://www.zeit.de/2017/06/hafenmuseum-hamburg-stadtgeschichte-tourismus