„Ich war der erste Hamburger Kaufmann, der aus Mocca Kaffee, aus Baltimore Taback, aus Surinam Kaffee, aus Afrika Gummi hohlte.“[1] Diese Lebensbilanz zog Caspar von Voght 1836 kurz vor seinem Tod in einem Brief an Karl Sieveking, Sohn seines langjährigen Geschäftspartners Georg Heinrich Sieveking. Der unbescheidene Anspruch auf Pionierleistungen findet immer wieder in der Literatur Erwähnung, wie auch Voght als Person bis heute positiv als aufklärerisch denkender Kaufmann und Sozialreformer rezipiert wird. Doch ähnlich wie bei Heinrich Carl von Schimmelmann weisen die Geschäfte von Voght & Sieveking auch ihre dunkleren Seiten auf, die Voght in seinem Lebensresümee an Karl Sieveking geflissentlich unterschlägt: Planungen zur Ausrüstung einer Versklavungsfahrt.

Zwei Gründe kommen für Voghts Schweigen in Frage: Zum einen war der Versklavungshandel in den 1830er Jahren öffentlich weniger akzeptiert als noch gut 50 Jahre zuvor, als die Kompagnons ihren Eintritt in das Geschäft planten. Zum anderen blieb es allen Anzeichen nach bei einem Versuch – Voght und Sieveking betrieben 1782 erheblichen Aufwand, eine Versklavungsfahrt auszurüsten, verzichteten jedoch letztendlich doch auf eine Durchführung.

Ein Schritt zurück: Voght (1752-1839) übernahm 1781 nach dem Tod seines Vaters dessen bedeutendes Handlungshaus, sein enger Freund Sieveking war Mitarbeiter, später Teilhaber und übernahm in den 1790er Jahren komplett die Leitung. Die Auszahlung der anderen Erben sorgte für einen schwierigen Start, obwohl der US-Unabhängigkeitskrieg für das neutrale Hamburg Hochkonjunktur bedeutete. Von Ostende in den ebenfalls neutralen Habsburgischen Niederlanden und der Elbe aus bemühten sich Voght und Sieveking um schnelle Profite. Anfang 1782 brachte Voght die Idee auf, ein dänisches Schiff für den ‚Dreieckshandel‘ nach Afrika und Amerika ausrüsten zu lassen.

Tatsächlich holten Voght und Sieveking Informationen und Angebote ein. Der Altonaer Kaufmann Johann Hinrich Baur bot ein Schiff an, Kalkulationen wurden erstellt und Versicherungen angefragt, das Vorhaben stand kurz vor der Durchführung. Moralische Vorbehalte der Beteiligten sind aus dieser Zeit keine überliefert. Stattdessen führte ein Zusammenspiel praktischer Aspekte dazu, dass sie von der Versklavungsfahrt abrückten: unternehmerische Vorsicht angesichts des neuen Geschäftsfelds, hohe Versicherungskosten sowie politische und konjunkturelle Verschiebungen mit dem sich abzeichnenden Kriegsende.[2]

Obwohl allem Anschein nach nicht selbst am Menschenhandel beteiligt, profitierten Voght und seine Teilhaber erheblich von der versklavungsbasierten Plantagenwirtschaft. Schon die von ihm selbst angeführten Waren verdeutlichen die Herkunft: Kaffee aus Surinam und Tabak aus den USA stammten zu einem großen Teil aus solchen Betrieben, auch die Gummiproduktion im Senegal – auf die er sich im eingangs zitierten Brief wohl bezieht – war von Unfreiheit geprägt. Mokka, der für das Getränk namensgebende Hafen im heutigen Jemen, ließe sich zwar nicht dem atlantischen System, aber eventuell der arabischen Sklaverei zuordnen. Ohnehin stellte der Indische Ozean ein Ziel untergeordneter Bedeutung für Voght dar. Vermutlich bezieht er sich mit Mokka auf die Fahrt der ‚Vergülde Roos‘ unter Kapitän Nicholas Theunissen 1782/83. Die bemerkenswerte Route führte sie von Lorient über Kapstadt nach Mauritius, zu diesem Zeitpunkt Île de France, einem wichtigen Knotenpunkt im indischen Ozean. Schon diese Strecke absolvierte das Schiff nicht ohne Problem, der Kapitän musste in der niederländischen Kapkolonie wegen zwei erfahrenen Steuerleuten anfragen. Nach weiteren Zwischenhalten, wohl auch in Europa, sollte das Schiff noch in die Karibik fahren. Während Fahrtziele in Afrika und Amerika eine Beteiligung am ‚Dreieckshandel‘ vermuten lassen würden, gibt es weder aus der Karibik noch der Plantagenkolonie Mauritius entsprechende Belege.[3]

„Als der Handel meine Einbildungskraft nicht mehr beschäftigen konnte, ekelte er mich an.“[4] – diese Fortsetzung des obigen Zitats ist wohl weniger (selbst-)kritische Einschätzung des eigenen Handelns als der bei Voght schon früh bestehende Wunsch nach sinnstiftenden Tätigkeiten. Nach seinem weitgehenden Rückzug aus dem Handelshaus 1793 widmete er sich stattdessen unter anderem der Armenfürsorge und der Errichtung eines Landhauses mit Mustergut vor den Toren Hamburgs. Heute ist der Nachfolgebau, das Jenisch-Haus, als Museum erhalten und erinnert in der Ausstellung an Voght – jedoch vor allem an die letzten 40 Jahre seines Lebens, kaum an den Kaufmann, der in Versklavungshandel und Plantagenwirtschaft verstrickt war.[5] Er selbst überlebte sein ehemaliges Handelshaus um Jahrzehnte: Nach dem Tod Sievekings 1799 und den Krisen der Napoleonischen Kriege ging es 1811 in Konkurs.[6]

Doch weder der schwierige Start noch das Ende des Unternehmens dürfen darüber hinwegtäuschen, dass Voght & Sieveking über Jahre höchst profitabel operierten. Voght verließ das Unternehmen mit erheblichen finanziellen Mitteln. Somit wurden seine spätere Interessen, die Förderung der landwirtschaftlichen Forschung wie auch das Engagement in der Sozialreform, durch den Kolonialwarenhandel querfinanziert. Die verhinderten Versklaver scheiterten keineswegs auf ganzer Linie, sondern profitierten durch ihren Warenhandel immens von der versklavungsbasierten Plantagenwirtschaft.


[1] Sieveking, Georg Herman, Kleine Studien über Caspar von Voght. VI. Selbstbekenntnisse Caspars von Voght, in: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 20 (1901), S. 394-397, hier S. 396.

[2] Grundlegend zu Voght: Woelk, Susanne, Der Fremde unter den Freunden. Biographische Studien zu Caspar von Voght, Hamburg 2000, hier besonders S. 112-116, Sieveking, Heinrich, Das Handlungshaus Voght und Sieveking, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 17 (1912), S. 54-128, hier S. 76-78. Siehe dazu auch zur Lage, Julian, Die Hochphase des deutschen Versklavungshandels. Akteure aus dem Raum Hamburg und ihre globalen Netzwerke um 1800, in: Zeitschrift für Historische Forschung 49 (2022), S. 665-694, hier S. 668.

[3] Staatsarchiv Hamburg, Wasserschout [Hamburg], 1760–1876, Anmusterungsprotokolle für alle Schiffe, 1760–1845, Sign. 373–1 I A 1 a-u., hier Bd. g, Bl. 36; Kresse, Walter, Materialien zur Entwicklungsgeschichte der Hamburger Handelsflotte 1765-1823, Hamburg 1966, S. 198. Für den Halt in Kapstadt siehe Jeffreys, Kathleen M. (Hrsg), Kaapse archiefstukken lopende over het jaar 1783, Kapstadt 1938, S. 48f.; Toussaint, Auguste, La route des Iles. Contribution à l’histoire maritime des Mascareignes, Paris 1967, S. 282 als ‚Rose Dorée‘ mit Kapitän Theunessen; bei Toussaint erfolgt keine Erwähnung im Versklavungshandel. Vermutlich enthält auch die Sieveking’sche Korrespondenz Informationen über das Schiff, allerdings nur als ‚Rose‘ bezeichnet, vgl. Sieveking, Heinrich, Das Handlungshaus Voght und Sieveking, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 17 (1912), S. 54-128, hier S. 75.

[4] Sieveking, Studien, S. 396.

[5] Begleitend zu einer Ausstellung, ebenfalls weitgehend unter Ausblendung des Kaufmanns Voght: Czech, Hans-Jörg / Kerstin Petermann / Nicole Tiedemann-Bischop (Hrsg.), Caspar Voght (1752 – 1839). Weltbürger vor den Toren Hamburgs, Petersberg 2014.

[6] Sieveking, Handlungshaus, S. 119.